Frisches Fleisch wird in der Fleischtheke eines Supermarktes angeboten.
dpa-Zentralbild/Hendrik Schmidt
dpa-Zentralbild/Hendrik Schmidt
Coronavirus

CoV in weiterem Fleischbetrieb

Die Zahl der von Covid-19-Infektionen betroffenen fleischverarbeitenden Betriebe ist am Montag weiter gestiegen: Mittlerweile sind vier Unternehmen betroffen, insgesamt 13 Mitarbeiter wurden im Rahmen von Screenings positiv getestet. Mehr Tests sollen folgen.

Am Montag sind in einem weiteren fleischverarbeitenden Betrieb in Oberösterreich drei CoV-Infektionen nachgewiesen worden.Bisher waren insgesamt zehn Fälle in Betrieben in den Bezirken Wels-Land, Ried und Braunau bekannt gewesen.

Krisenstab beruhigt

Die Lage sei unter Kontrolle und alle Erkrankungsfälle seien zurückverfolgbar. Auf die Fälle sei man durch Screenings oder freiwillige Testungen aufmerksam geworden. „Das heißt, das war jetzt kein Ausbruch der Infektion, sondern eher eine Vorsichtsmaßnahme, aufgrund derer wir auf die Fälle gestoßen sind“, so Carmen Breitwieser, Sprecherin der Bezirkshauptleute im Krisenstab des Landes Oberösterreich. Man könne also nicht von einem Cluster sprechen. Die Fälle im Innviertel scheinen laut Breitwieser auf den Westbalkan zurückzugehen, jene in Wels-Land dürften mit dem Cluster rund um eine Bekenntnisgemeinschaft in Linz in Verbindung stehen.

Drei Mitarbeiter bei Landhof CoV-positiv

Der Fleisch- und Wurstwarenhersteller Landhof in Linz bestätigte auf Anfrage der APA Montagnachmittag, dass im Werk drei Mitarbeiter positiv auf Covid-19 getestet wurden. Wie das Unternehmen betonte, habe man am vergangenen Freitag „auf freiwilliger Basis und auf eigene Kosten im Rahmen der Eigenvorsorge alle anwesenden Mitarbeiter getestet“. Von 209 Testungen waren 206 negativ. Die drei positiv Getesteten zeigen bisher offenbar keine Krankheitssymptome, zwei von ihnen sind in der Verwaltung und eine in der Verpackung tätig.

Produktion läuft weiter

Die freiwilligen Abstriche erfolgten in Abstimmung mit der zuständigen Behörde und wurden am Montag fortgesetzt, bis alle 250 Beschäftigten durchgetestet sind. Die Produktion laufe weiter wie bisher, wobei als zusätzliche Vorsorgemaßnahme jene Mitarbeiter, die Covid-19 negativ getestet wurden, FFP-2 Masken erhielten. Außerdem teilten die in Villach ansässigen Marcher Fleischwerke, zu denen Landhof gehört, mit, dass alle Testungen in ihren Schlacht-und Zerlegebetrieben „sowohl im Rahmen des Screenings durch die AGES als auch die freiwilligen Testungen" nur negative Ergebnisse lieferten“.

Innungsmeister: Angesteckte Leiharbeiter

Zwischen dem großen Coronavirus-Ausbruch in der Fleischfabrik Tönnies in Nordrhein-Westfalen (Deutschland) und den aktuellen Fällen in Schlachthöfen in Oberösterreich gebe es keine Zusammenhänge, so Fleischer-Innungsmeister Willibald Mandl aus Ternberg (Bezirk Steyr-Land). Zu der Ursache der Fälle in fleischverarbeitenden Betrieben sagte er im Interview mit ORF-Redakteur Stephan Schnabl: „Weil dort Leiharbeiter vom Ausland arbeiten.“ Die könnten sich irgendwann in der letzten Zeit beim Pendeln von ihren Heimatländern nach Oberösterreich und zurück angesteckt haben. Mandl glaubt nicht, dass das am Arbeitsplatz passiert sei, aber „sie sind ja in den Unterkünften sehr eng beisammen, und da kann sich das Virus natürlich rasant ausbreiten“.

Durchtestung „ganz, ganz wesentlich“

Dass die Konsumenten weniger Fleisch und Wurst essen, glaubt der Fleischer-Innungsmeister nicht. Denn Lebensmittel gelten als sicher. Es gebe noch keinen einzigen Fall weltweit, bei welchem ein Patient über Nahrungsmittel mit SARS-CoV-2 infiziert worden sei, hieß es bereits am Sonntag von der AGES. Laut Gesundheitslandesrätin Christine Haberlander (ÖVP) werden die Betriebe nicht geschlossen, aber durchgetestet: „Das ist ganz, ganz wesentlich, dass wir auch eine valide Zahl und Datenlage haben.“

Bisher nur in Oberösterreich Fälle in Schlachtbetrieben

Laut Franz Allerberger, Experte bei der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES), kann nicht genau gesagt werden, warum gerade Oberösterreich betroffen ist, allerdings: „Wir haben erst drei Bundesländer untersucht, geplant sind fünf Bundesländer, wo größere Schlachthöfe existieren.“ Bei den bisherigen drei untersuchten Bundesländern Oberösterreich, Steiermark und Kärnten wurden nur in Oberösterreich Coronavirus-Infektionen festgestellt. „Ich würde meinen, dass das der reine Zufallseffekt ist, andererseits wissen wir ja, dass in den letzten Tagen doch in Oberösterreich ein kleiner Hotspot ist – und insofern sollte das nicht überraschen“, so Allerberger.

„Winterähnliche“ Verhältnisse in Fleischbetrieben

„Ich glaube, wir können uns davon verabschieden, dass das Virus auszurotten ist“, so Allerberger am Montag im ORF-Ö1-Mittagsjournal. Er glaube, „dass uns im Herbst etwas blühen wird“, das genauso häufig wie Grippe und andere Winterinfekte sei. Auch Allerberger wies darauf hin, dass der Virus-Cluster in Oberösterreich vermutlich von Reise-Heimkehrern aus Staaten des Westbalkans eingebracht worden sei. Er wies zudem auf „winterähnliche“ Betriebsverhältnisse in Fleischverarbeitungsunternehmen hin. So dürfen die Temperaturen in Fleischzerlegungsbetrieben nicht mehr als zwölf Grad betragen.

Fälle bei Screening gefunden

Bekanntgeworden seien die Fälle bei einem Screening, so Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) am Montag in einer Aussendung. Die Gesundheitsbehörden hätten nun ein österreichweites Screeningprogramm für das Coronavirus gestartet. Demnach sind 25.000 bis 30.000 freiwillige Tests pro Woche möglich. Dafür stünden bis Jahresende 240 Millionen Euro zur Verfügung, hieß es in der Aussendung. Ziel ist es laut Anschober, in potenziellen Risikobereichen – unter anderem Pflege- und Altersheime und Gesundheitseinrichtungen (Arztpraxen, Krankenhäuser etc.) – durch regelmäßige Testungen Frühwarnsysteme aufzubauen. Dazu soll es Tests für Personen in prekären Arbeits- und Wohnverhältnissen geben. Anschober zufolge wurden in Österreich bisher 654.000 Tests durchgeführt.

Kühlung und Fließbandarbeit als Risikofaktoren

Ulrich Herzog, stellvertretender Sektionsleiter für Verbrauchergesundheit und Veterinärwesen im Gesundheitsministerium, sagte, für die Fleischverarbeitungsbetriebe und Schlachthöfe seien zunächst 40 Betriebe für die Screenings ausgewählt worden. Man müsse sehen, dass in gekühlten Räumen das Infektionsrisiko wegen der Reizung der Atemwege ein besonderes sei und wegen der Fließbandarbeit. Die Screenings sollen zudem Erntehelfer, die Logistikbranche und die Bauwirtschaft umfassen. Allerberger wies darauf hin, dass beschlossen wurde, auch Lagerarbeiter in Lebensmittelbetrieben, in denen nur Tiefkühlware verschoben wird, beprobt werden.

Situation mit Deutschland nicht vergleichbar

Für Anka Lorencz, Geschäftsführerin des Lebensmittelgewerbes in der Wirtschaftskammer Österreich, ist es aufgrund des regionalen Clusters in Oberösterreich nicht überraschend, dass sich auch Mitarbeiter der Branche darunter befinden würden. Österreichs Fleischverarbeiter und Schlachthöfe würden sich am laufenden Screening-Programm gerne beteiligen, denn dieses sei wichtig, um mögliche CoV-Spots aufzuspüren. Zudem wies Lorencz angesichts des massiven CoV-Ausbruchs beim deutschen Fleischverarbeiter Tönnies darauf hin, dass die rechtliche und soziale Situation in Österreich und Deutschland „keinesfalls vergleichbar“ seien, weil die österreichischen Fleischverarbeiter deutlich kleiner und regionaler seien und zudem ein kollektivvertraglicher Mindestlohn gelte. Agrarlandesrat Max Hiegelsberger (ÖVP) lobte das „vorsorgliche Handeln der Schlachthöfe“, die sich aktiv mit dem Problem auseinandersetzen würden. „Das Virus ist nach wie vor unter uns. Bis ein Impfstoff gefunden wird, müssen wir auf Umsichtigkeit und Eigenverantwortung setzen“, so Hiegelsberger.

Betriebe: Infektionsketten geschlossen

Die drei zunächst betroffenen Unternehmen zeigten sich im Gespräch mit der APA optimistisch, dass die Infektionsketten mittlerweile ausgeforscht seien und es zu keinen weiteren daraus resultierenden Fällen mehr kommen werde. Alle betonten ihre hohe Bereitschaft zu testen und die strengen Hygienemaßnahmen.

Tann: Bereits fast alle Mitarbeiter getestet

Beim zum Handelskonzern Spar gehörenden Fleischverarbeiter Tann in Marchtrenk (Bezirk Wels-Land) gibt es laut Behörden fünf, laut Unternehmen vier Fälle. Die Betroffenen, die in der Verpackung arbeiten, seien seit mehr als einer Woche zu Hause, sagte eine Sprecherin gegenüber der APA. Weitere Personen aus deren Umfeld seien in Quarantäne. Mittlerweile seien so gut wie alle der rund 190 Mitarbeiter am Standort getestet worden. Alle mit Ausnahme der bekannten Fälle waren negativ. Man gehe davon aus, dass die Infektionskette geschlossen sei, der Betrieb laufe daher normal – mit den ohnehin hohen Hygienebestimmungen, wie betont wurde – weiter.

Hubers Landhendl: Produktion nicht betroffen

Seitens der Firma Hubers Landhendl hieß es, es seien zwei Mitarbeiter betroffen, die allerdings im Büro tätig seien und nicht in der Produktion. Eine Person arbeite gar nicht mehr beim Unternehmen, die andere sei in Heimquarantäne, so ein Firmensprecher zur APA. Nichtsdestotrotz würden laufend Test bei den Mitarbeitern gemacht. Zudem gebe es seit Beginn der Pandemie strenge Hygieneauflagen im Werk, die seit März auch nicht zurückgefahren worden seien – etwa Maskenpflicht und Desinfektion. Man gehe davon aus, dass die Infektionskette geschlossen sei. Bei Hubers Landhendl am Standort Pfaffstätt (Bezirk Braunau) sind rund 800 Mitarbeiter beschäftigt, die allerdings nicht alle in der Fleischproduktion arbeiten, sondern auch u. a. in der Logistik.

Großfurtner: Mitarbeiterinnen „privat infiziert“

Beim Fleischverarbeiter Großfurtner mit Sitz in Utzenaich (Bezirk Ried) wird betont, man habe sich freiwillig für Screenings gemeldet. Bei diesen seien dann drei Personen am Standort St. Martin im Innkreis positiv getestet worden. Man habe im Betrieb von Beginn an strenge Maßnahmen gesetzt – wie Maskenpflicht und Fieberkontrollen. Die betroffenen Mitarbeiterinnen – sie waren symptom- und fieberfrei – dürften sich demnach privat infiziert haben. Sie arbeiten in zwei unterschiedlichen Abteilungen, die daraufhin vorübergehend geschlossen wurden, bis alle Mitarbeiter dort getestet waren. Bis auf die drei bekannten Fälle seien alle negativ gewesen, hieß es. Mittlerweile seien die Abteilungen wieder offen, und man gehe nicht davon aus, dass es durch diese Infektionskette zu weiteren Fällen kommen werde. Großfurtner beschäftigt insgesamt 600 Mitarbeiter, davon rund 400 im betroffenen Werk. Dort wurden bisher insgesamt 180 Tests durchgeführt, die restlichen sollen bis Dienstag erfolgen.

Verein gegen Tierfabriken: Abwarten kann nicht gut gehen

Der Verein gegen Tierfabriken (VGT) forderte indes eine „rasche und umfassende“ Reaktion: „Ein Abwarten und Weiterarbeiten in Betrieben mit bestätigten Infektionen kann nicht gut gehen – mehrere Hundert Tote hat das in den USA gefordert, als Schlachthöfe dort trotz Infektionen offen blieben“, so VGT-Aktivistin Lena Remich in einer Presseaussendung am Montag. „Das Schlachtsystem muss umfassend hinterfragt werden“, es dürften keine öffentlichen Gelder dafür verwendet werden.

418 Erkrankte

Mittlerweile gibt es 418 akute Covid-19-Fälle in Oberösterreich (Stand 12.00 Uhr), so der Krisenstab des Landes. Damit stieg die Zahl erneut um mehr als 20 Fälle, verglichen mit Sonntagnachmittag. Mehr als 2.800 Menschen sind derzeit unter Quarantäne gestellt. Eine Person wird auf einer Intensivstation in einem Krankenhaus betreut, 22 Menschen liegen auf Normalstationen. Ab Dienstag muss in den Ämtern des Landes wieder Maske getragen werden, auch die Magistrate in Wels und Steyr verhängten bereits eine Maskenpflicht für ihre Gebäude.