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Coronavirus

Diskussion um Schulschließungen

Als Reaktion auf die Kritik an den vom Land OÖ angeordneten Schulschließungen in fünf Bezirken hat LH Thomas Stelzer (ÖVP) die Maßnahme verteidigt. Um die weitere CoV-Verbreitung zu verhindern, sei schnelles Reagieren notwendig gewesen.

Zudem sei das Vorgehen mit Kanzler Sebastian Kurz abgestimmt gewesen.

Bildungsministerium „nur informiert“ worden

Aus dem Büro von Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) hieß es laut einem „Standard“-Bericht vom Freitag, dass man von den Schulschließungen lediglich informiert worden sei. Das Gesundheitsministerium wiederum habe auf „die im Epidemiegesetz festgelegte Zuständigkeit der Landesbehörden“ verwiesen. „Ich bin in engem Kontakt und Austausch mit dem Bundeskanzler und dem Gesundheitsminister, mit denen ich auch alle Maßnahmen abstimme. Ich gehe davon aus, dass die Abstimmung zwischen den Ministerien in Wien weiterhin reibungslos funktioniert“, hielt dem Stelzer entgegen.

Faßmann: „Schule soll normal beginnen“

Im Herbst solle die Schule normal beginnen. Das kündigte Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) am Donnerstagabend in der ZIB2 an: „Ich persönlich glaube, wir können im Herbst im Normalbetrieb starten, das ist auch unser Planungsziel – ich weiß aber auch, dass eine Situation wie jetzt in Oberösterreich immer wieder auftreten kann“.

Bildungsminister Faßmann: Normalbetrieb im Herbst ist Planungsziel

Faßmann zeigte am Freitag vor Journalisten auch gewisses Verständnis für die in Oberösterreich beschlossenen Schul- und Kindergartenschließungen, als Modell seien diese allerdings nicht geeignet. Das „reflexartige Schließen von Schulen“ führt Faßmann darauf zurück, dass diese aus der Vergangenheit als „Umschlagplatz von Viren“ bekannt seien. Das Coronavirus scheine hier aber anders zu funktionieren.

SPÖ: „Undifferenzierte“ Schließung

Der oberösterreichische SPÖ-Nationalratsabgeordnete Alois Stöger sowie SPÖ-Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid hatten die „undifferenzierte“ Schließung kritisiert. Stöger sprach am Freitag von einer überzogen Reaktion, die allem Anschein nach nicht mit dem Bund abgesprochen gewesen sei. „Entscheidungen über neuerliche Einschränkungen brauchen evidenzbasierte Grundlagen, die für ganz Österreich Geltung haben“, hieß es in einer Aussendung. Ähnlich hatten am Donnerstag auch die NEOS argumentiert, auch von katholischem Familienverband und ÖGB-Frauen hatte es Kritik gegeben.

Luger stellt sich hinter Schulschließungen

Der Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) stellte sich entgegen der Kritik aus der Bundes- und Landes-SPÖ wegen der flächendeckende Schulschließungen infolge des Linzer Clusters hinter das Vorgehen des Landes. Er trage die Entscheidung, die Stelzer vorab mit ihm besprochen habe, inhaltlich voll mit, auch „wenn ich anders entschieden hätte“, meinte er. So hätte der Bürgermeister in Linz nur vier Schulen und vier Kindergärten und nicht alle geschlossen.

Kritik auch von Kinderfreunden

Die Kinderfreunde OÖ hingegen machen gegen die Maßnahmen mobil. So planen sie für kommenden Donnerstag vor dem Landhaus eine Aktion. Bis dahin sammeln sie Geschichten von Familien und Betroffenen, um dies am 9. Juli vor Beginn der Landtagssitzung vor dem Landhaus vorzulesen. Und auch die Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde warnt vor einem derartigen Automatismus. Für diesen Schritt fehle jegliche wissenschaftliche Evidenz. Kinder seien nicht hauptverantwortlich für die Ausbreitung des Coronavirus, weitere Schulschließungen sollten deshalb nur noch dann erfolgen, wenn sie wissenschaftlich begründbar seien, so die Kinderärzte.

Mütter protestieren in offenem Brief an LH

In einem offenen Brief an Landeshauptmann Stelzer protestieren drei Mütter von Kindergartenkindern in Linz gegen die Schließung der Kindergärten in der Landeshauptstadt, in Wels und in den umliegenden drei Bezirken. Die Schließung gehe in erster Linie zu Lasten von Familien und vor allem von Frauen. Die Mütter sprechen von einer einseitigen Benachteiligung von Kleinkindern und fordern eine differenziertere Vorgehensweise, mehr Transparenz und keine pauschalen Lösungen.

Stelzer: „Entscheidung nicht leicht gemacht“

Stelzer wiederum unterstrich neuerlich die Notwendigkeit raschen Handelns, selbst wenn er wisse, dass die Schließungen – auch Kindergärten und Betreuungseinrichtungen sind in fünf Bezirken bis 10. Juli zu – für viele Familien „eine große Herausforderung“ darstellen. „Daher habe ich mir diese Entscheidung nicht leicht gemacht“, sagte der Landeshauptmann.

Reproduktionsquote von 2,7

Auch Landeshauptmannstellvertreterin Gesundheits- und Bildungsreferentin Christine Haberlander (ÖVP) betonte Freitagvormittag im ORF-Interview neuerlich, wie wichtig dieser Schritt gewesen sei. „Die Zahlen waren eindeutig. Es kam zu einem sprunghaften Anstieg, wir stehen bei einer Reproduktionsquote von 2,7“, so Haberlander.

Eigenverantwortung und Kontrollen

Das Contact Tracing im Umkreis des Clusters rund um eine mehrheitlich rumänische Glaubensgemeinschaft sei schwierig gewesen, u.a. aufgrund von Sprachschwierigkeiten. Deshalb sei es nötig gewesen, diesen drastischen Schritt zu setzen. „Ich hoffe, ehrlich gesagt, dass es nicht mehr dazu kommen wird“. Das könne nur gelingen, wenn jeder seiner Eigenverantwortung nachkommen, Maske trage, Abstand halte und im Falle des Falles aktiv mitarbeite. Die Stadt Linz setzt am Wochenende unterdessen auf mehr Kontrollen – „eine Aktion scharf“, hieß es – mit mehr Personal und Polizeieinsatz. In öffentlichen Verkehrsmitteln seien die Maskenpflicht, in der Gastronomie die Abstandsregeln im Fokus – mehr dazu in Kontrollen: Aktion scharf in Linz (ooe.orf.at).

Cluster einfangen

„Im Wissen, wie konsequent das Containment läuft, bin ich aber optimistisch, dass wir den Cluster einfangen“, so Tilman Königswieser vom Krisenstab des Landes in einem Hintergrundgespräch am Freitag. Carmen Breitwieser, ebenfalls Mitglied des Krisenstabs, betonte, dass man jeden Fall individuell sehen müsste. So gebe es Fälle, wo es keine Schulsperre geben müsse, weil man die Infektionskette geschlossen nachvollziehen und die Betroffenen absondern könne, und andere, in denen das kaum mehr möglich sei – wie eben den aktuellen.

Land will mehr testen

Haberlander betonte im Rahmen des Hintergrundgespräches am Freitag die bereits am Donnerstag angekündigte Absicht des Landes, wieder mehr zu testen. Die Kapazitäten sollen auf zwölf fixe Drive-ins und 16 mobile Teams aufgestockt werden, so dass jeder binnen 30 Minuten zu einer Testmöglichkeit kommen könne. Am 1. Juli seien bereits mehr als 1.400 Tests durchgeführt worden. Zudem wolle man auch asymptomatische Patienten testen. „Aber es gibt kein Freitesten“, betonte sie, man bleibe trotz Test abgesondert, weil der Test nur eine Momentaufnahme sei und man die Inkubationszeit abwarten müsse. Man solle sich mit einem negativen Test nicht in falscher Sicherheit wiegen. Im Rahmen von Screenings will man künftig auch einen Fokus auf Angehörige von mobilen Diensten legen.

Die Zahl der Erkrankten in Oberösterreich lag am Freitag (Stand 12.00 Uhr) bei 284. Anfang Juni hatte man einen Tiefststand von 17 erreicht gehabt. Dass man sich auf so niedrigem Niveau werde einpendeln können, hält Haberlander aber für „illusorisch“.

308 Erkrankte, 2.183 in Quarantäne

Insgesamt waren Samstagfrüh (Stand 8.00 Uhr) 2.183 Menschen in Oberösterreich in Quarantäne. 308 waren an Covid-19 erkrankt. 19 wurden in Spitälern behandelt. 121 Infektionsfälle waren laut Krisenstab des Landes Oberösterreich dem Linzer Cluster rund um eine Bekenntnisgemeinschaft zuzuordnen.

Erkrankte in Bezirken (Land OÖ, 5. Juli, 12.00 Uhr)

Linz-Stadt 108
Steyr-Stadt 1
Wels-Stadt 26
Braunau am Inn 10
Eferding 8
Freistadt 5
Gmunden 3
Grieskirchen 9
Kirchdorf 10
Linz-Land 122
Perg 23
Ried 15
Rohrbach 1
Schärding 4
Steyr-Land 1
Urfahr-Umgebung 22
Vöcklabruck 1
Wels-Land 24

Bundesweite Zahlen des Ministeriums

Die aktuellen bundesweiten Zahlen zu den gesamten positiven Testungen auf das Coronavirus können jederzeit unter dem folgenden Link auf der Website des Sozial- und Gesundheitsministeriums abgerufen werden: