Goldene Nicas
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Kultur

Prix Ars Electronica vergibt Goldene Nicas

Erstmals in der 33-jährigen Geschichte des Prix Ars Electronica ist die internationale Jury rein virtuell zusammengetreten, erstmals wurde eine anonyme Bürgerbewegung mit einer Nica ausgezeichnet, und zum ersten Mal gehen alle weiteren Goldenen Nicas an Frauen.

Für ihren digitalen Aktionismus im Kampf um demokratische Grundrechte wird die Protestbewegung Hongkongs mit der Goldenen Nica in der Kategorie “Digital Communities" ausgezeichnet. Erstmals wird damit eine anonyme Gruppe ausgezeichnet. Sie formierte sich im Protest gegen ein von Peking beabsichtigtes Gesetz, das es unter bestimmten Umständen erlauben sollte, Bürger von Hongkong – ehemals britische Kolonie mit Sonderstatus – an China auszuliefern. Dagegen wehrten sich die Hongkonger erfolgreich, der Gesetzesentwurf wurde im Herbst 2019 zurückgezogen. Digitale Technologien spielten eine Schlüsselrolle dabei. „Auch Partnerschaften mit chinesischen Städten dürfen uns nicht abhalten, klare gesellschaftspolitische und demokratiepolitische Aussagen zu machen“, stellte sich Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) hinter diese Entscheidung, auch wenn es „nicht nur Freude geben“ werde.

Privatsphäre, Identität und Künstliche Intelligenz

In der ebenfalls alle zwei Jahre ausgezeichneten Interactive Art+ siegte die US-Amerikanerin Lauren Lee McCarthy mit ihrer Installation „Someone“. Darin können Besucher die Rolle eines Avatars einnehmen und in Wohnungen von freiwillig am Projekt teilnehmenden Personen quasi wie eine menschliche Version von Amazons Alexa agieren. McCarthy wirft Fragen nach Privatsphäre, Identität, Kontrolle von Künstlicher Intelligenz auf. Sie beschäftige sich schon lange mit der Rolle des Menschen in diesem Umfeld und habe einen künstlerisch virtuosen Umgang damit generiert, so Festivalleiter Martin Honzik bei der Vorstellung.

Die Goldenen Nica in der Kategorie Computer Animation geht an Miwa Matreyek für „infinitely Yours“. Die amerikanische Künstlerin kombiniert etliche Formate in eine neue Inszenierung. Sie bewegt sich als Schattenbild durch stets dystopische Landschaften und prangert damit sehr eindrücklich und in durchaus unguten Bildern die Zerstörung der Umwelt um des Konsums willen an.

VALIE EXPORT für ihr Lebenswerk ausgezeichnet

Der Hauptpreis der Kategorie “Computer Animation" geht an die ebenfalls in Los Angeles tätige Künstlerin Miwa Matreyek, und für ihr künstlerisch-feministisches Lebenswerk wird VALIE EXPORT als “Visionary Pioneer of Feminist Media Art" mit einer Goldenen Nica geehrt. Der Prix Ars Electronica 2020 verzeichnete insgesamt 3.209 Einreichungen aus 90 Ländern.

Langjährige Co-Direktorin Christine Schöpf geht

Am Montag wurde bei der Pressekonferenz auch bekanntgegeben, dass sich die langjährige Co-Direktorin der Ars Electronica, Christine Schöpf, nach 40 Jahren – erst als berichterstattende Journalistin, dann als Gestalterin und schließlich als Co-Direktorin – aus der operativen Arbeit zurückzieht. „40 Jahre sind genug, das sollen die Jungen machen“, sie habe sich das reiflich überlegt, meinte sie im APA-Gespräch. Das bisher gemeinsam geleitete Animation Festival übernimmt Jürgen Hagler.

„Will kein Muppet auf dem Balkon sein“

„Ich hab das so lange gemacht und ich habe es irrsinnig gern gemacht“, betonte Schöpf. Aber vieles in der Arbeit habe sich geändert, gerade heuer durch das Coronavirus. „Die haben das großartig gemacht“, lobte sie Emiko Ogawa und das Prix-Team. Doch „ich möchte nicht, dass es wirkt als würde ich wegen Corona ein sinkendes Schiff verlassen, denn die Ars Electronica wird so schnell nicht untergehen“, streute sie allen Mitwirkenden Rosen und bedankte sich besonders bei Hannes Leopoldseder, von dem sie viel gelernt habe. Sie ziehe sich ganz zurück, will „kein Muppet auf dem Balkon“ sein, wie sie betonte.

Online-Jurys „gelungen“

Die Online-Jurys seien „ausgezeichnet gelungen, obwohl mehr Arbeit damit verbunden war“, sprach Ars-Electronica-Leiter Gerfried Stocker in einer Pressekonferenz am Montag in Linz die Zeitunterschiede von Los Angeles bis Seoul und damit verbundene Sitzungen um 6.00 Uhr früh bzw. 2.00 Uhr in der Nacht an. „Beim Festival wollen wir so viele Projekte wie möglich nach Linz holen“, versprach Stocker.

Eigene Kategorien für junge Talente

Kulturstadträtin Doris Lang-Mayerhofer (ÖVP) nannte die Preisträgerinnen „ein starkes Zeichen, ein tolles Signal“ und hob neben VALIE EXPORT auch die Siegerinnen in der U19-Kategorie aus der Grazer Ortweinschule – auf der sie selbst war – hervor. Lisa Rass, Franziska Gallé, Jona Lingitz und Anna Fachbach holten sich mit „Samen“ den Hauptpreis des mittlerweile etliche Kategorien umfassenden U19-Bewerbs in der Sparte „Young Professionals“. Der Stop-Motion-Experimental-Film behandelt die Pubertät und verzichtet völlig auf Sprache, stellte Marion Friedl das Projekt vor.

Der U12-Hauptpreis ging an „Lury“ von Laurin, Amelie und Niklas Steinhuber, der U14-Hauptpreis an „The Truth Part 2“ der Schüler*innen der NMS Lehen, Fach Kreative Mediengestaltung. Den MIC-Spezialpreis für Projekte mit IT-Fokus, die sich mit der Welt von morgen auseinandersetzen, erhielten Schüler von der HTL Rennweg in Wien, die mit CareLine einen autonom fahrenden Servierwagen entwickelt haben.