Gerichtssaal bei Prozess nach Doppelmord in Wullowitz
APA/Kerstin Scheller
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Gericht

Wullowitz-Prozess: Stundenlange Befragung

Am ersten Verhandlungstag des Prozesses zum mutmaßlichen Doppelmord in Wullowitz ist am Mittwoch der Angeklagte bis in den Nachmittag hinein einvernommen worden. Der Angeklagte gestand zwar die Taten, gab aber an, er habe „niemanden verletzen“ wollen.

Der Prozess gegen jenen Afghanen, der 2019 in Wullowitz in der Gemeinde Leopoldschlag (Bezirk Freistadt) einen Rot-Kreuz-Mitarbeiter und einen Altbauern erstochen haben soll, begann wegen der Sicherheitsmaßnahmen aufgrund des Coronavirus am Mittwoch in einem recht leeren Schwurgerichtssaal in Linz. Der gefasst wirkende Angeklagte zeigte sich geständig, sein Verteidiger negierte einen Tötungsvorsatz, sein Mandant sei „krank“.

Angeklagter: „Fehler gemacht“

„Ich weiß, dass ich es getan und einen Fehler gemacht habe“, übersetzte der Dolmetscher die nüchtern vorgetragenen Sätze des 33-Jährigen. Es tue ihm auch „sehr leid, es ist halt so passiert“, eine andere Erklärung habe er nicht für das, was am 14. Oktober geschah.

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Gerichtssaal bei Prozess nach Doppelmord in Wullowitz
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Prozess nach Doppelmord in Wullowitz
FOTOKERSCHI.AT / BAYER
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Wegen einer eigenmächtigen Diensteinteilung im Altstoffsammelzentrum hatte der ehemalige Flüchtlingsbetreuer den Angeklagten zur Rede gestellt. Nach einem Disput trennten sich die beiden. „Ich war sehr aufgeregt und verärgert“, so der Afghane. Daher sei er am Nachmittag in das Wohnheim geradelt, in dem der Rot-Kreuz-Mitarbeiter beschäftigt war. Dort traf er den 32-Jährigen an. Sofort sei der Angeklagte „aggressiv geworden“, habe ein Messer gezogen und zweimal zugestochen, so die Staatsanwältin. Das Opfer habe „massive Stichwunden in der Brust“ erlitten. Vier Tage nach der Attacke starb der junge Mann im Spital.

Der Betreuer habe ihm mit Abschiebung gedroht, das sei für ihn „nicht akzeptabel“ gewesen, versuchte der Afghane eine Rechtfertigung. Letztendlich habe sich sein Mandant nicht mehr unter Kontrolle gehabt, so der Verteidiger. Die „fürchterliche und sinnlose“ Tat lasse sich nur so erklären, dass der Angeklagte „krank ist“. Fühle er sich „respektlos behandelt“, werde er maßlos wütend und setze entsprechende Handlungen.

Staatsanwältin sieht „Tötungsabsicht“

Nach der Messerattacke auf den Betreuer floh der Angeklagte mit dem Rad. Bei einem rund 400 Meter entfernten Gehöft sah er einen Mann, der in einer Garage Einkäufe aus einem Pkw räumte. „Ich hab gesagt, ‚Gib mir bitte dein Auto‘“, so der Angeklagte in gebrochenem Deutsch. Als sich der 63-Jährige geweigert habe, habe er weiter gebettelt. Dann habe der Landwirt ihn wohl angeschrien, sein „Todesurteil“, wie die Staatsanwältin ausführte. Jedenfalls zückte der Afghane erneut das Messer und tötete sein Gegenüber mit fünf Stichen in die Brust. Schon allein die „Wucht des Zustechens“ in beiden Fällen wertete die Staatsanwältin als Beleg dafür, dass der Angeklagte „Tötungsabsicht“ gehabt habe. In Linz wurde der Mann festgenommen.

Stundenlange Befragung zur Motivation

Die Befragung des Angeklagten am Mittwoch dauerte viele Stunden, in denen versucht wurde, die Motivation für das Handeln sowie den genauen Tathergang zu erforschen. Am Nachmittag folgten dann noch Zeugen. Ein Mitarbeiter des Altstoffsammelzentrums beschrieb den Afghanen als „anfangs zuverlässig“. Ab Februar 2019 sei der Asylwerber jedoch nicht mehr zur Arbeit gekommen. Er habe angefangen zu beten, so der Zeuge.

Zeuge: „Aggressiv und wütend“

Einer der Flüchtlinge, der den Angriff auf den Rot-Kreuz-Helfer vor dem Wohnheim miterlebt hatte, erinnerte sich noch, dass er den Angeklagten kurz begrüßt habe. Dann sei alles ganz schnell gegangen. Der Betreuer sei aus dem Haus gekommen, habe den Ankommenden gefragt, was er wolle. Darauf sei dieser ohne ein Wort zu sagen auf den 32-Jährigen zugegangen und habe sofort auf ihn eingestochen. Der Zeuge habe noch „Mach keinen Blödsinn“ zu dem Afghanen gesagt, außerdem sei ihm aufgefallen, dass der mutmaßliche Täter „sehr aggressiv und wütend“ gewesen sei, so der Mann vor Gericht.

Verteidiger: Mandant „inhaltlich reuemütig“

Der Verteidiger betonte, dass sich „sein Mandant zu den Tatvorwürfen voll inhaltlich reuemütig verantworten wird“. Aus Sicht des Verteidigers sei aber „ein Blick über den Tellerrand der Tathandlungen“ nötig. Er sprach von einer „aufgestauten Wut“ gegen den ehemaligen Flüchtlingsbetreuer. Sein Mandant habe nicht auf sich sitzen lassen wollen, dass sich der Rot-Kreuz-Mitarbeiter in sein Leben einmische. „Ich fühlte mich tief verletzt von dem Verhalten“, so auch der Angeklagte.

Bis zu 20 Jahre Haft

Am Freitag werden dann die Sachverständigen ihre Gutachten erläutern. Psychiaterin Adelheid Kastner attestierte dem Angeklagten zwar einen „religiös gefärbten Wahn“, hält ihn jedoch für zurechnungsfähig. Für den Abend wird dann das Urteil im Geschworenenprozess erwartet. Dem Angeklagten drohen zehn bis 20 Jahre Haft oder lebenslang.