Für viele Wissenschaftler hat Johannes Kepler bis heute Kultstatus, auch für Alois Ferscha, den Vorstand des Instituts für Pervasive Computing der JKU. Seine Konsequenz und wissenschaftliche Beharrlichkeit und seine Bereitschaft, selbst aufgestellte Theorien zu überdenken und anzupassen, sei herausragend.

Die Chemikerin Renee Schröder von der Universität Wien bedauert, dass sich die Disziplinen an den Unis vor Jahrzehnten getrennt hätten – etwa die Naturwissenschaft von der Philosophie – „jetzt kämpft jeder um Ressourcen, und das schafft ein Gegeneinander, anstatt miteinander zu diskutieren“. Denn die Wissenschaften müssten sich miteinander beschäftigen.

„Viele Projekte landen in der Schublade“
Nicht nur interdisziplinär müsse zusammengearbeitet werden, sondern auch mit verschiedenen Persönlichkeiten, so Ferscha bei dem Symposium am Donnerstag – das habe zu Keplers Zeit funktioniert. „Die größte Schwäche des heutigen Forschungsförderungssytems ist, dass Forschungsprojekte auf drei Jahre – im allerbesten Fall auf zehn Jahre – angelegt sind“. Wenn spätestens nach diesen drei Jahren es zu keiner Verwertung (Anwendung in der Wirtschaft usw., Anm.) komme, „landen diese Papiere in einer Schublade“. Zu Keplers Zeiten hätten sich noch Generationen mit einem Projekt beschäftigt, etwa für große Bauwerke wie den Kölner Dom (Bauzeit über 600 Jahre) oder die Chinesische Mauer (Bauzeit fast 2.000 Jahre).
„Wir sind dabei, zu alldem was an Komplexität entsteht, uns auch eine Vorstellung zu machen, wie: Sind wir Menschen künftig diejenigen, die mit dieser Welt umgehen, die wir nicht mehr in derselben Weise kontrollieren können wie man das noch vor hundert Jahren konnte“, so der deutsche Philosoph Klaus-Jürgen Grün.

Kepler publizierte seine Gesetze der geometrischen Grundlegung knapp vor Beginn des 30-jährigen Krieges. Er war Protestant und der Konfessionsstreit bestimmte seine ganze Karriere.
„Kirche kann mitwirken“
Für den Linzer Diözesanbischof Manfred Scheuer geht es heute um die Voraussetzungen eines auch demokratischen Zusammenlebens. „Kepler ist davon ausgegangen, dass es zum Beispiel eine Art Harmonie der unterschiedlichen Wissenschaften gibt“, so Scheuer, „dass die auch ineinander greifen, dass sie etwa nach denselben Gesetzen leben“. Für Scheuer kann die Kirche durchaus an der Erarbeitung von gemeinsamen Grundlagen des Lebens – wie Werte oder Nachhaltigkeit – mitwirken.
Im 16. Jahrhundert wurde Johannes Kepler für seine Forschung zum heliozentrischen Weltbild angefeindet und verfolgt. Auch in modernen Zeiten sei die Wissenschaft nicht wirklich frei, so der Tenor des Symposions. Einerseits werde sie für politische Zwecke beschlagnahmt, andererseits werde der Druck aus den eigenen Reihen, massenhaft neue Studien zu veröffentlichen, immer größer.