Bluttat im Mühlviertel
laumat.at/Mario Kienberger
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Chronik

Betreuer nach Bluttat weiter in akuter Lebensgefahr

Jener Flüchtlingsbetreuer, der am Montag in einer Asylunterkunft in Wullowitz niedergestochen worden war, hat sich Mittwochfrüh weiterhin in akuter Lebensgefahr befunden, teilte das Uniklinikum Linz mit. Keine Details gab es vorerst von den Einvernahmen des verhafteten 33-Jährigen durch die Polizei.

Der 33-Jährige Afghane soll den Betreuer am Montag in der Asylwerberunterkunft Wullowitz mit einem Messer lebensgefährlich verletzt und auf der Flucht einen Altbauern erstochen haben. Auslöser für die Tat dürfte ein Streit wegen seiner Arbeit gewesen sein. Der Mann wurde mehrmals auffällig, es gab offenbar auch eine Wegweisung wegen Gewalt gegen seine Frau.

Ihre Anteilnahme für die Familie des getöteten 63-Jährigen und Genesungswünsche für den schwer verletzten Rotkreuz-Mitarbeiter drückten am Dienstag Vertreter aller politischer Parteien aus. Das Rote Kreuz kündigte an, dass die Unterkunft in Wullowitz noch diese Woche aufgelöst werden soll.

Vermittlung eines Arbeitsplatzes

Dem Besuch des Afghanen, der mit seiner Lebensgefährtin und zwei Kindern in einer privaten Wohnung lebt, in der Asylunterkunft ging es um die Vermittlung eines Arbeitsplatzes. Der Mann hatte sich offenbar anderes von seinem Betreuer erwartet, es kam zum Streit – der eskalierte. Laut Zeugen versuchte der 33-Jährige, dem 32-jährigen Rotkreuz-Betreuer mit einem Messer die Kehle durchzuschneiden. Andere Asylwerber zerrten den Afghanen von seinem Opfer weg. Er konnte sich jedoch losreißen und stach dem Betreuer das Messer in die Brust. Drei Asylwerber wurden beim Verteidigungsversuch leicht verletzt. Anschließend flüchtete der 33-Jährige mit einem gestohlenen Fahrrad.

Für Landwirt kam jede Hilfe zu spät

Der Betreuer wurde lebensgefährlich verletzt nach Linz ins Spital geflogen, so die Polizei. Der Mann schwebte am Dienstag laut Krankenhaus weiter in akuter Lebensgefahr.

Nur rund 300 Meter Luftlinie vom ersten Tatort entfernt soll der Geflüchtete dann in der Garage eines Bauernhofes einen 63-jährigen Landwirt in der Nähe seines Autos erstochen haben und anschließend mit dem Fahrzeug davongefahren sein. Für den Altbauern kam jede Hilfe zu spät. Er verstarb bei der Messerattacke.

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Polizeiauto vor Bauernhof
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„Festnahme mit einigem Widerstand“

Am späten Montagabend wurde der Mann nach einer Alarmfahndung, an der mehr als 100 Polizisten und Cobra-Beamte beteiligt waren, in Linz gefasst. Der Verdächtige wurde in Polizeigewahrsam genommen. Landespolizeidirektor Andreas Pilsl sagte gegenüber dem ORF Oberösterreich: „Wir hatten den mutmaßlichen Täter schon eine Weile verfolgt. In der Nähe des Linzer Bulgariplatzes konnte der Mann letztendlich in einer konzertieren Aktion dingfest gemacht werden.“ Die Festnahme sei mit einigem Widerstand, aber letztlich ohne Komplikationen erfolgt.

Johannes Reitter (ORF): Verdächtiger in Linz gefasst

Nach der tödlichen Messerattacke in Wullowitz berichtet ORF-Reporter Johannes Reitter, dass der Verdächtige in Linz gefasst wurde und was bisher über den Mann bekannt ist.

Mann wegen Kleindelikten aufgefallen

Pilsl sagte zudem bei einer Pressekonferenz am Dienstag, der Mann sei vor der Tat schon zweimal angezeigt worden. Er sei am 11. Juli 2015 „schlepperunterstützt nach Österreich eingereist und hat noch am selben Tag Asylantrag gestellt“, berichtete Pilsl. Nachdem dieser abgewiesen wurde, legte der Afghane Beschwerde ein. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Der Mann fiel in der Vergangenheit polizeilich auf, weil er einmal auffällig aus dem Koran gelesen habe. Er gilt als streng gläubig, aber nicht als radikalisiert, sagte Pilsl. Zweimal wurde der Afghane angezeigt: einmal nach einer Rauferei in einer Volkshochschule. Bei dem Streit um Trinken von Alkohol wurde der Mann selbst verletzt, die Angelegenheit mit einer Diversion erledigt, berichtete Staatsanwalt Philip Christl.

Die zweite Anzeige erfolgte nach einer Sachbeschädigung in einer Fahrschule in Freistadt, nachdem der 33-Jährige bei der Prüfung durchgefallen war. Wie Hubert Koller (ÖVP), Bürgermeister von Leopoldschlag, zu dem die Ortschaft Wullowitz gehört, sagte, hatte der Afghane heuer im Juli im Zuge der Führerscheinprüfung offenbar überreagiert: Er habe dabei auf dem Übungsplatz eine Rennfahrt hingelegt, offenbar um sein Können zu beweisen. Ansonsten sei der Mann, der gelegentlich für die Gemeinde gearbeitet habe, jedoch nicht aufgefallen.

Schließung der Unterkunft beschleunigt

Koller forderte am Dienstag die Schließung der Asylwerbereinrichtung. Darin sehe er die einzige Möglichkeit, dass in dem Ortsteil von Leopoldschlag wieder „Ruhe einkehrt und die Sicherheit hergestellt“ werde, sagte er im Gespräch mit der APA. Derzeit seien in dem Heim 20 Flüchtlinge untergebracht, in dem Ortsteil leben 60 Einwohner, schilderte der Bürgermeister. Das Haus direkt an der tschechischen Grenze hält er auch deshalb nicht für ideal, da es nur eine schlechte Anbindung an den öffentlichen Verkehr gebe. An Wochenenden gebe es überhaupt keine Busverbindung.

Wie das Rote Kreuz am Dienstag bekanntgab, habe man die Asylwerberunterkunft Wullowitz seit Ende 2015 ohne Probleme betrieben. Ein Ende der Unterbringung von Asylwerbern in Wullowitz sei für das erste Quartal 2020 geplant gewesen. Aufgrund des Vorfalls werde man aber die Verlegung der Bewohner in andere Rotkreuz-Quartiere beschleunigen. Das solle in Abstimmung mit dem Land OÖ noch in dieser Woche abgeschlossen sein, so das Rote Kreuz.

Wegweisung wegen Gewalt gegen Frau

Integrationslandesrat Rudi Anschober (Grüne) recherchierte noch weitere Informationen: So soll der Afghane im Mai 2019 gegen seine Frau gewalttätig geworden sein, worauf er eine zweiwöchige Wegweisung ausgesprochen bekam. Trotz umfassender Unterstützung habe die Betroffene von einer Anzeige abgesehen und sei auch nicht übersiedelt, ergaben die Nachforschungen des Landesrats. Der zuständigen Stelle für die Grundversorgung (GVS) liegen keine Verurteilungen des Verdächtigen vor, so die Informationen Anschobers.

Allerdings habe die GVS ihn im September dieses Jahres einem Anti-Gewalt-Training zugewiesen. An den ersten Einheiten hat er laut Anschober auch teilgenommen. Anschober informierte, dass für die Frau und die beiden Kinder des Verdächtigen eine neue „geschützte Unterkunft“ gefunden wurde. Auch er, Anschober, sei traurig und wütend über das missbrauchte Gastrecht.

Stelzer: „Flüchtlinge nicht pauschal verurteilen“

Die politischen Parteien bekundeten am Dienstag ihr Mitgefühl und ihre Bestürzung. Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) zeigte sich erschüttert und zornig, dass jemand, der hier Hilfe bekommen habe, so eine Tat begehe. Er warnt aber davor, Flüchtlinge pauschal und undifferenziert zu verurteilen. Er sei überzeugt: Die große Mehrheit der Flüchtlinge sei dankbar, dass das Land Schutz und Sicherheit bietet. Stelzer sagte, die schrecklichen Nachrichten machten ihn zutiefst betroffen. Er sei in seinen Gedanken bei den Opfern und ihren Familien.

Brockmeyer: „Tief betroffen über die Tat“

Auch SPÖ-Landesgeschäftsführer Georg Brockmeyer zeigt in einer Aussendung Betroffenheit und Anteilnahme für die Opfer und ihre Familien. Brockmeyer meinte in einer Presseaussendung, man sei tief betroffen über die Tat, aber erleichtert, dass der Täter der schockierenden Tat gefasst wurde. Dafür gebühre der Polizei Dank, so Brockmeyer.

Gewalt gegen die einheimische Bevölkerung müsse aufhören, so Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner (FPÖ). Haimbuchner forderte nach dem Vorfall „die umgehende Einberufung des Landessicherheitsrates“. Ein Gremium solle darüber beraten, „wie wir die Sicherheit gewährleisten und derartige Übergriffe mit Messergewalt verhindern können“, schrieb er in einer Aussendung. Stelzer werde ihn am Mittwoch einberufen.