Eingang Gedenkstätte KZ Gusen
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Geschichte

Erneut Kommission zu KZ Gusen gefordert

Die neuen Unterlagen zum ehemaligen KZ Gusen ergeben ein Bild, als ob es unter dem Areal des Lagers und unter St. Georgen aussehen würde wie ein Schweizer Käse. Das sagt der Historiker und frühere Institutsvorstand der Uni Graz, Stefan Karner. Im Interview mit dem ORF OÖ fordert er erneut eine internationale Gusen-Kommission.

Diese neuen Erkenntnisse wurden in einer Dokumentation des ZDF rund um das ehemalige KZ Gusen und die Ereignisse rund um St. Georgen während des Zweiten Weltkriegs veröffentlicht. Karner ist der einzige in Österreich, der bisher einen Einblick in diese neuen Unterlagen aus amerikanischen und russischen Archiven, in Zeitzeugenberichte und in neu entdeckte Luftaufnahmen der Amerikaner erhalten hat.

Zeitzeugen, Fotos und 1.000 Seiten Befragungen

Welche Unterlagen das sind, dazu sagte Karner: „Das sind Zeitzeugenberichte, dann gibt es eine Fülle von Fotos, mehrere Gutachten verschiedener Provenienz, die Luftbildaufnahmen der Amerikaner, dann gibt es rund 1.000 Seiten Befragungen durch die Russen, Berichte und Befragungen der Amerikaner, und eine Fülle von Berichten und Indizien, die noch aus der NS-Zeit selber stammen. Es ist nicht eine Mappe, das sind viele Mappen zu diesem Thema.“ Bei den von den Archiven freigegebenen Unterlagen müsse man sich auch immer ansehen, wovon und wie viel freigegeben wurde, so Karner.

Stefan Karner im Gespräch mit ORF-Redakteur Gernot Ecker

Stollenanlage St. Georgen
FOTOKERSCHI.AT / KERSCHBAUMMAYR

„Indiz für Tote, von denen wir bislang nichts wissen“

In der Dokumentation war auch die Rede davon, dass 18.000 Häftlinge plötzlich aus den Lagerlisten verschwunden sind. Es gibt Mutmaßungen, sie könnten in die Tunnelanlage getrieben und mit den Stollen in die Luft gesprengt worden sein. Karner dazu: „Diese 18.000, die an einem Tag aufscheinen und am nächsten Tag nicht mehr, muss man sehr genau prüfen. Ich war entsetzt, wie ich das gesehen habe. Aber mit aller Vorsicht: Es kann natürlich stimmen, aber es kann genauso falsch sein, ein Fehler der Registratur oder was immer sein. Aber Faktum ist, es steht schwarz auf weiß da und muss überprüft worden. Erst gestern habe ich wieder ein Indiz bekommen, dass es dort auch Tote gibt, von denen wir bislang nichts wissen.“

„Neuen Hinweise sind sehr stark“

Der Historiker fordert jetzt die Einsetzung einer internationalen Expertenkommission durch das Innenministerium. Die Hinweise und die neuen Unterlagen seien so stark, dass man an einer genauen Nachforschung nicht vorbeikomme, sagt Karner. Fakt sei aber auch: Es gibt Gruppen von Wissenschaftlern in Österreich, die eine neuerliche Untersuchung für nicht notwendig halten und der Meinung sind, es gebe nichts Neues in den jetzt ins Treffen geführten Unterlagen.

Das gesamte Interview zum Nachhören