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Wirtschaft

Dayli-Prozess in Linz vertagt

Am Dienstag sind der frühere Dayli-Chef Rudolf Haberleitner und sein damaliger Co-Geschäftsführer in Linz vor Gericht gestanden. Beide bekannten sich „nicht schuldig“, der Prozess wurde auf unbestimmte Zeit vertagt.

Haberleitner musste sich wegen grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen vor Gericht verantworten. Die Dayli-Pleite war – gemessen an den betroffenen Mitarbeitern – die größte Handelspleite der vergangenen 20 Jahre in Österreich: 3.500 Menschen verloren ihren Arbeitsplatz. Die Schulden: 114 Millionen Euro.

2012: Aus Schlecker wird dayli

Ein halbes Jahr nach dem Konkurs der Drogeriekette Schlecker im Jänner 2012 übernahm Investor Haberleitner 1.350 Schlecker-Filialen, um daraus unter dem Namen dayli neue Nahversorger zu machen. Doch das Konzept sollte nach nur rund einem Jahr scheitern.

Aufregung um Sonntagsöffnung

Im Jänner 2013 wurden die ersten beiden Filialen eröffnet: in Linz-Ebelsberg und im niederösterreichischen Pöggstall. Vier Monate später legte sich Haberleitner mit Gewerkschaft und Kirche an, als er ankündigte, auch am Sonntag aufsperren zu wollen. Und er bestätigte, dass dayli Geld brauche: 114 Millionen, um die bestehenden Filialen ausbauen und neu eröffnen zu können. Aus der Sonntagsöffnung wurde nichts. Der damalige Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) änderte die Gewerbeordnung entsprechend.

Rasch erste Finanzierungsprobleme

Im Mai 2013 tauchten dann erste Finanzierungsprobleme auf. Dayli ersuchte Lieferanten um Zahlungsaufschub. Ende Mai wurden 560 Mitarbeiter beim Arbeitsmarktservice (AMS) angemeldet. Die Kette gab bekannt, 180 Filialen in Österreich schließen zu müssen. Im Juni mussten dann weitere 340 Mitarbeiter gehen, und noch einmal wurden rund 100 Filialen geschlossen.

Juni-Gehälter wurden nicht mehr fristgerecht bezahlt. Der Kreditschutzverband von 1870 drohte, einen Konkursantrag einzubringen. Dem kam dayli zuvor: Am 4. Juli 2013 stellte man einen Antrag auf ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung. Bemühungen um Investoren verliefen im Sand. Gut eine Woche später beantragte der Masseverwalter die Schließung von 355 Filialen. Knapp 1.300 Mitarbeiter verloren ihren Job. Kreditschützer und Masseverwalter gaben einem neuen Eigentümer, der die Kette kurz vor dem Sanierungsverfahren von Haberleitner übernommen hatte, noch gut zwei Wochen Zeit, einen Investor zu finden. Vergebens.

Konkursverfahren und erste Ermittlungen

Am 12. August 2013 bewilligten Gläubigerausschuss und Gericht die vom Masseverwalter beantragte Schließung. Aus dem Insolvenz- wurde ein Konkursverfahren. Dann begannen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Haberleitner wegen betrügerischer Krida. Der Ex-dayli-Chef stritt die Vorwürfe ab. Im Jänner 2015 ermittelte schließlich auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wegen des Verdachts betrügerischer Krida, grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen und Betrugs. Der vermutete Schaden: mehr als fünf Millionen Euro.

Im Sommer 2017 überwies der Masseverwalter gut elf Millionen Euro an die Gläubiger. Das entspricht einer Quote von zehn Prozent der Insolvenzforderungen. Im vergangenen März schließlich erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Haberleitner und eine weitere Person wegen grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen.

Vorwürfe zurückgewiesen

Den Vorwurf grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen wiesen beide Angeklagten von sich. Beide waren sich einig, nicht Zahlungsunfähigkeit, sondern der Einfluss Dritter habe 2013 zur Insolvenz geführt. Noch heute zeigt sich der mittlerweile 74-jährige „tätige Pensionist“ Haberleitner davon überzeugt, dass „massive Gegenwehr von Dritten“ zum Scheitern seines Vorhabens geführt habe. So habe Dayli am 21. Juni 2013 noch einen Überschuss von 5 Mio. Euro gehabt, meinte er. Wie er sich dann wenige Tage später am 30. Juni eine Überschuldung von 49. Mio. erkläre, diese Frage konnte der Ex-Chef dem Richter nicht wirklich beantworten.

„Zugesagte Kredite wurden zurückgezogen“

Umso ausführlicher beschrieb er, wie alle wie „eine Lawine über uns hergefallen“ seien. Der „von Politik und Gewerkschaft erzwungene Ausstieg“ des Investors Novomatic im Mai 2013 sei der Anfang vom Ende gewesen. Daraufhin seien „zwei Banken abgesprungen“. Die RLB OÖ und die Erste Bank hätten die bereits zugesicherten Kredite von jeweils 40 Mio. Euro zurückgezogen. Zu Finanzierungszusagen – wie etwa ein 25 Mio. Euro Betriebsmittelkredit von der Coface Kreditversicherung und ein weiterer in gleicher Höhe des Einkaufsgesellschafters ek servicegroup – kam es nicht mehr. Eine 100-Mio.-Euro-Anleihe in London, vermittelt von der ABig Investmentbank, sei ebenfalls gescheitert. „Für die gab es bereits 40 Mio. Euro Zeichnungen“, ärgerte sich der Ex-Chef vor Gericht.

Als dann durch eine Änderung der Gewerbeordnung 2013, laut Haberleitner eine „Lex Dayli“, die Sonntagsöffnung der Drogeriemarktkette „unmöglich“ gemacht wurde, sei nichts mehr gegangen. „Man hat uns vernichten wollen“, erklärte der Ex-Chef abschließend zur Ursache der Insolvenz. „Ich habe sicherlich nie etwas grob fahrlässig verursacht“, wies er alle Schuld von sich.

„Wir waren auf dem richtigen Kurs“

Und auch der mitangeklagte ehemalige Geschäftsführer zeichnete ein positives Bild von Dayli. Das Sanierungsprojekt bezeichnete er als „hoch erfolgreich“. In den bereits umstrukturierten Filialen habe sich der Umsatz verdoppelt, man sei auf dem „richtigen Kurs“ gewesen. Das Ganze sei dann „wegen Umständen, die wir nicht beeinflussen konnten“, gescheitert, meinte auch er.

Erhobene Vorwürfe würden „ins Leere“ gehen

Die von der Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwürfe eines mangelnden Controllings, eines fehlenden Aufsichtsrats sowie verspätete oder nicht erstellte Jahresabschlüsse würden „ins Leere“ gehen. Auch in diesem Punkt waren sich die Beschuldigten einig. So versicherte Haberleitner, sofort nach Übernahme einen Aufsichtsrat bestellt zu haben. Zwar wurde dieser nicht gewählt und es gab auch nicht die quartalsmäßig vorgeschriebenen Sitzungen. Es sei aber ein „fakultativer Aufsichtsrat“ gewesen, sagte der seinerzeitige alleinige Gesellschafter von TAP Dayli Vertrieb GmbH vor Gericht.

Weiters betonte er, das Controlling sei ausreichend gewesen, er habe wöchentliche Überblicke über die Verbindlichkeiten gehabt. „Wir haben immer gewusst, wie es gelaufen ist“, erklärte er. Nach der Übernahme wurde die „Bilanz neu gemacht“ und um 95 Prozent wertberichtigt. Und die nur gegen ihn erhobenen Vorwürfe, überhöhte Aufwendungen und Bezüge erhalten zu haben, stritt Haberleitner ebenfalls ab: „Mir wurden die Verträge so verpasst.“

Der Prozess wurde auf unbestimmte Zeit vertagt, dann sollen Gutachter zu Wort kommen. Anschließend werden Zeugen geladen, ein Ende des Verfahrens war vorerst noch nicht in Sicht.