Neuwahlantrag im Landtag

Der oberösterreichische Landtag erlebt am Donnerstag eine Premiere: Erstmals in der Geschichte nach 1945 wird es einen Neuwahlantrag quasi mitten in einer Legislaturperiode geben.

Einbringen wird ihn nach dem „Ibiza-Video“, den rechtsextremen Zwischenfällen und der bevorstehenden Neuwahl auf Bundesebene die SPÖ. ÖVP und FPÖ werden ihn wahrscheinlich ablehnen und damit ihre Zusammenarbeit fortsetzen.

SPÖ will mit Neuwahlantrag Zeichen setzen

Aus parteipolitischer und wahltaktischer Sicht mag der Neuwahlantrag der SPÖ am Donnerstag sinnvoll sein. Den Roten geht es darum, ein Zeichen zu setzen, ein Bekenntnis gegen eine politische Mentalität, wie sie im „Ibiza-Video“ offenbar wurde. Aus realpolitischer Sicht ergibt der Neuwahlantrag aber keinen Sinn. Erstens wird es keine Mehrheit dafür geben, und zweitens würden Neuwahlen vermutlich nicht viel ändern. Oberösterreichs Landespolitik bewegt sich seit Jahrzehnten in der Behaglichkeit des Proporzsystems. Wer eine bestimmte Zahl an Wählerstimmen bekommt, sitzt in der Landesregierung.

Echte Koalitionsverhandlungen gibt es nicht, eine echte Opposition auch nicht. Und revolutionäre Änderungen in den Mehrheitsverhältnissen sind auch nach einer vorgezogenen Wahl nicht zu erwarten. Denn was ÖVP-Chef, Landeshauptmann Thomas Stelzer wohl bei seinem Festhalten an der Landeskoalition einkalkuliert hat: Ibiza ist nicht Knittelfeld. Die FPÖ mag jetzt vielleicht Stimmen verlieren, aber sie würde wohl auch nach vorgezogenen Landtagswahlen Landesräte stellen, in Oberösterreich in der Regierung sitzen und Stelzer mit ihr arbeiten müssen.

Schwarz-Blau wäre bei Neuwahl wieder möglich

Sogar eine schwarz-blaue Mehrheit könnte sich durchaus wieder ausgehen. Ibiza ist eben nicht Knittelfeld und Linz nicht Wien. FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner hat in den vergangenen Jahren bewusst eine gewisse kritische Distanz zu seinen Wiener Parteikollegen eingehalten und geht so - abgesehen von einer veritablen innerparteilichen Krise - persönlich weitgehend unbeschadet aus der „Ibiza-Affäre“ hervor. Das weiß auch Stelzer. Aber sein Festhalten an der Zusammenarbeit mit den Blauen birgt auch das Risiko dessen, was noch kommen kann.

Denn die rechten und rechtsextremen Aufreger der letzten Wochen sind vor allem in Oberösterreich aufgetaucht: Die eigenartigen Verbindungen Linzer Blauer zu den Identitären, das Rattengedicht oder ein Maler als beinahe Mitglied im Kulturbeirat, der Frauen als „hässliches Stück Fleisch“ bezeichnet. Trotz all dieser Vorfälle und heftiger Kritik von Rot und Grün sah Stelzer bisher keinen Grund, sich von seinem politischen Partner zu trennen. Was aber, wenn neue Fälle auftauchen? Dann wird es für ihn sehr schwer argumentierbar, nicht gleich die Reißleine gezogen zu haben. Dann könnten es noch zwei sehr unangenehme Jahre für Stelzer bis zur nächsten Landtagswahl werden.

Kanzler angeblich nicht erfreut über Fortsetzung

Nicht nur nach außen sondern auch nach innen: Dem Vernehmen nach soll Bundeskanzler Kurz ohnehin wenig Freude mit der Fortführung der schwarz-blauen Zusammenarbeit in Oberösterreich haben. Und auch in der oberösterreichischen ÖVP hört man immer mehr kritische Stimmen. Mandatare und Funktionäre beklagen, dass man sich zusehends schwer damit tue, die Zusammenarbeit mit den Blauen angesichts des Rattengedichts oder der beinahe Bestellung eines rechten Malers in den Kulturbeirat „draußen“ noch argumentieren zu können.

In der Landtagssitzung kommt es am Donnerstag auch zu einem Wechsel in der Regierung. Wolfgang Klinger übernimmt bei der FPÖ die Agenden von Elmar Podgorschek, der zurückgetreten ist. Sonst geht es thematisch unter anderem auch noch um den Klimaschutz, um den Ausstieg aus dem Euratom-Vertrag oder um ein Oberösterreich-Büro, das in Wien eröffnet werden soll.

Gernot Ecker; ooe.ORF.at