Precht: Politik muss positive Utopien schaffen

Um mit der Digitalisierung umzugehen, fehle es der Politik an positiven Utopien. Die Gesellschaft könnte dagegen von mehr Herzensbildung profitieren, meinte der prominente Denker Richard David Precht bei einem Besuch in Linz.

Richard David Precht gilt als „Bürgerphilosoph“ in Deutschland und ist durch seine Bücher auf Bestsellerlisten und sein eigenes Fernsehmagazin im ZDF prominent geworden. Am Freitag war er auf Einladung der voestalpine in Linz, um über grundsätzliche Fragen unserer Gesellschaft und Wirtschaft zu diskutieren.

Richard David Precht

epmedia - Jana Madzigon

Richard David Precht gilt als „Bürgerphilosoph“

Precht wehrt sich dagegen, nur als Warner bezeichnet zu werden. Digitalisierung sei aber nicht bloß ein Technologieschub, sondern betreffe alles – von der sozialen Sicherung bis zur Art, Politik zu machen. Diese Entwicklung löse viel Angst aus und viele Leute fühlten sich mit ihrer Angst aber nicht abgeholt, weil die Politik das Thema umschiffe so der Denker: „Ich glaube, man muss den Mut haben diese Themen anzugehen und positive Utopien für unsere Gesellschaft entwickeln. Das aber fehlt vollkommen.“

Richard David Precht im Gespräch mit Johannes Jetschgo, dem Chefredakteur des ORF Oberösterreich:

Während es den Rechten gelänge, negative Utopien zu entwickeln und ein positives Bild der Vergangenheit zu malen, schafften es die anderen Parteien nicht, positive Utopien zu entwickeln, sagt Precht im Gespräch mit dem ORF Oberösterreich: „Das ist ein großes Problem, weil alle Utopien, die aus dem Silicon Valley kommen, nicht besonders verführerisch sind. In einer immer technischeren Welt zu leben, ist für die allermeisten Menschen zunächst einmal nichts Tolles.“

Statt Arbeit Transaktionen besteuern

Digitalisierung an sich sei nichts Schlechtes. Schlecht und bedenklich sei nur, dass man über ihre Folgen nicht ausreichend nachdenkt. Wenn Berufe wegfielen, Künstliche Intelligenz nicht in die Rentenkasse zahle, die Menschen aber älter würden, dann, wird der Philosoph konkret: „Die Grundüberlegung besteht darin, dass ich als Philosoph es nicht besonders sinnvoll finde, dass ausgerechnet Arbeit besteuern und ob es nicht viel sinnvoller wäre, überall da, wo sich Geld ohne Arbeit vermehrt, Steuern einzuheben. Finanztransaktionssteuern sind schon deswegen besonders attraktiv, weil man unglaubliche Summen damit zusammenbekäme.“

Mit dem damit eingenommenen Geld könnte man etwa ein bedingungsloses Grundeinkommen finanzieren. In seinem Modell könnte man zusätzlich zu einem Grundeinkommen von 1.500 Euro noch 1.000 Euro steuerfrei dazuverdienen. Das wäre die Einlösung des alten Versprechens „Freiheit für alle“, so Precht.

Technische Zeit braucht Herzensbildung

Daneben brauche es aber auch eine entschlossene Bildungsreform, die junge Menschen aus der Schule entlässt, die wissen was sie können und Lust haben, weiter zu lernen. „Der schöne Begriff „Zweite Aufklärung“ wird heute in vielerlei Bedeutungen benutzt. Die Geistes- und Wirtschaftselite meint damit, dass alle Kinder in der Schule Informatik haben müssen, weil jeder wissen muss, wie ein Algorithmus oder ein Smartphone funktionieren. Da habe ich mich doch sehr über den Begriff gewundert, denn niemand außer denjenigen die damit beruflich zu tun haben und so etwas bauen, muss das wissen. Niemand, der ein Auto benutzt, muss wissen, wie ein Verbrennungsmotor funktioniert.“ Eigentlich müsste man in den Schulen alles lernen, was Maschinen nicht können, so der Philosoph.

Für Precht ist die Zweite Aufklärung aber etwas ganz anderes: „Es wäre eine neue Reflektion auf das, was der Mensch unter veränderten technischen Gegebenheiten ist und was den Menschen ausmacht. Ich glaube, das müsste im Mittelpunkt der Schulen stehen. Da steht auch so etwas wie das altmodische Wort Herzensbildung, die wir in der technischen Zeit noch viel mehr brauchen als früher.“

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