Fakten und Mythen zum Februaraufstand 1934

Ein Buch über den Februaraufstand 1934 hat Kreisky-Preisträger Kurt Bauer präsentiert. Ein Ereignis, das immer wieder als Beispielfall für die Opposition von Demokratie und Faschismus bemüht wird, ein Beispielfall, den Bauer einer kritischen Prüfung unterzieht.

Das heroisch-heldenhafte Bild hält der Prüfung nicht stand, befindet der Historiker Kurt Bauer. Weder seien die Februarereignisse 1934 die „heldenhafteste Kämpfe der Revolutionsgeschichte“ gewesen, wie vom Sozialdemokraten und damaligen Parteichef Otto Bauer behauptet, noch habe der Schutzbund als sozialdemokratischer Wehrverband eine Demokratie heutigen Zuschnitts verteidigen wollen.

Der Radiobeitrag von Chefredakteur Johannes Jetschgo zum Nachhören

Kurt Bauer: „Wenn heute von der Verteidigung der Demokratie 1934 gesprochen wird, ist das halt nicht die ganze Wahrheit. Denn es gibt eigentlich kein Dokument, aus dem hervorgehen würde, sie hätten wieder die parlamentarische Demokratie herstellen wollen. Es war vielmehr von einer Diktatur des Proletariats die Rede, von einer revolutionären oder sozialistischen Diktatur.“

„Linker Militärputsch innerhalb der Partei“

Kurt Bauer rechtfertigt in keiner Weise die damalige Kanzlerdiktatur des Christlich-sozialen Engelbert Dollfuß, der auch die ausgleichenden Kräfte in der eigenen Partei isoliert hat, der sich durch seinen Schulterschluss mit dem italienischen Faschismus zu retten glaubte und sich durch die Todesurteile über Aufständische des Februar einmal mehr ins Unrecht setzt.

Aber Kurt Bauer spricht nach detailliertem Quellenstudium aus, was bisher noch nie so deutlich formuliert wurde: der „Februaraufstand sei ein linker Militärputsch innerhalb der Partei gewesen“, den selbst prominente Sozialdemokraten wie Theodor Körner als „aussichtslos“ einschätzten, so Bauer: „Der Februaraufstand hat diese furchtbare Spaltung der beiden an sich antinazistischen Lager in Österreich, nämlich der Christlich-Sozialen und der Sozialdemokraten, manifest gemacht. Die beiden Lager haben sich gegenseitig als die größten Feinde gesehen, dabei stand der wahre Feind eigentlich ganz woanders.“

Bild des Februaraufstandes wird neu gezeichnet

Gibt es über den Sieger von damals, das Dollfuß-Regime, ein vergleichsweise einhelliges Urteil, so wird das Bild des Februaraufstands doch neu gezeichnet. Wenn die SPÖ heute Februarkämpfer als Kronzeugen der Demokratie aufruft, so relativiert Kurt Bauer das als "eine Projektion aus der Zeit nach 1945, als die Demokratie westlichen Zuschnitts auch unter Sozialdemokraten wieder in Mode gekommen war.“

Demokratie im heutigen Verständnis sei damals nicht zur Debatte gestanden. Deren Chancen seien in Österreich schon vorher verspielt worden, als 1930 die Sozialdemokraten es ablehnten, eine Konzentrationsregierung mit den Christlich-Sozialen unter Ignaz Seipel zu bilden. Kurt Bauer zitiert Bruno Kreisky: „Kreisky, der ja damals ein junger Mann und Zeitzeuge und sicher ein sehr scharfer Beobachter war, sagte dezidiert, dass dies die letzte Chance für die Demokratie in Österreich war, vergeben von den Sozialdemokraten."

„Der Februaraufstand - Fakten und Mythen“ von Kurt Bauer bei Böhlau erschienen, gibt neue Einblicke in eine vermeintlich festgeschriebene Geschichte.

Johannes Jetschgo, ooe.ORF.at