Debatte um Kindesabnahmen

Die Bundes-Behindertenanwaltschaft kritisiert zu viele Kindesabnahmen bei Menschen mit Beeinträchtigung. Anlass ist ein Fall aus Oberösterreich, bei dem der Mutter auch nur eine Stunde Besuchzeit pro Monat gewährt wurde.

Mütter und Väter mit Behinderung sollten stattdessen in der Erziehung viel stärker unterstützt werden, so die Bundes-Behindertenanwaltschaft. Derzeit sei aber öfter der Fall gegeben, dass Kinder bei Pflegeeltern oder in Wohngemeinschaften untergebracht werden.

Nur eine Stunde pro Monat Besuchszeit

Vor zwei Jahren ist eine junge Oberösterreicherin Mutter geworden, ihre Tochter sieht sie kaum, so die Frau im Interview mit ORF-Redakteur Bernt Koschuh am Dienstag: „Einmal im Monat für eine Stunde sehe ich sie, weil ich nicht mehr Rechte vom Jugendamt bekomme.“

Die 26-Jährige hat einen Hauptschulabschluss. Doch es wurde eine intellektuelle Beeinträchtigung und Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Schon Monate vor der Geburt schickte das Jugendamt Helfer, aber die hätten sie „kontrolliert und unter Druck gesetzt“, so die Frau. Deshalb habe sie zugestimmt, dass ihre Tochter gleich nach der Geburt noch im Spital an Pflegeeltern gewöhnt werde.

Auch zweites Kind sollte zu Pflegeeltern

Als sie dann heiratete und im Vorjahr wieder schwanger wurde, prüfte das Jugendamt neuerlich - und auch das zweite Kind sollte zu Pflegeeltern. Es starb aber kurz vor Weihnachten nach einer Plazenta-Ablösung im neunten Schwangerschaftsmonat.
Die Vorwürfe der jungen Frau und ihrer Unterstützer wies die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zurück. Der Bezirkshauptmann sagte, das Jugendamt habe sensibel agiert und nicht anders entscheiden können. Es sei gerichtlich bestätigt worden, dass die Mutter nicht erziehungsfähig ist und nur eine Stunde Besuchszeit im Monat bekommt.

„Kompensatorische Unterstützung oft möglich“

Was die Besuchszeiten bei diesem Fall aus Oberösterreich betrifft, sieht der stellvertretende Leiter der Kinder- und Jugendhilfe des Landes OÖ, Reinhold Rampler, auf jeden Fall Diskussionsbedarf. Den Vorwurf, dass es bei Menschen mit Beeinträchtigung zu häufig zu Kindesabnahmen komme, weist er aber gegenüber dem ORF zurück: „Grundsätzlich ist ja eine Beeinträchtigung, in welcher Form auch immer, gar kein Anlass, ein Kind in eine Fremdbetreuung zu geben, weil es sehr viele Möglichkeiten gibt, doch auch kompensatorisch Unterstützungen zu leisten.“

„Besuchszeit kann nur Ausnahme sein“

Auf die kurze Besuchszeit – nur eine Stunde pro Monat – angesprochen, sagte Rampler: „Es stimmt, dass dies im Gerichtsbeschluss so kurz geregelt ist, aber es erscheint sehr eng. Es kann aus meiner Sicht nur eine Ausnahme sein, wenn es wirklich die Umstände erfordern. Weil in nur einer Stunde pro Monat ist es kaum möglich, eine entsprechende Beziehung aufzubauen. Wir unterstützen das sehr, und ich glaube, dass es im konkreten Fall auch Bemühungen gibt, in Gesprächen nochmal zu schauen, was man hier gegebenenfalls adaptieren kann“, so Rampler.