Harter Brexit könnte teuer werden

Nachdem das britische Unterhaus das Abkommen über den EU-Ausstieg abgelehnt hat, wird ein Ausstieg ohne Abkommen wahrscheinlicher. Der werde der Wirtschaft Verluste bringen, so der Linzer Volkswirtschaftler Friedrich Schneider.

432 Abgeordnete stimmten am Donnerstagabend gegen den von Premierministerin Theresa May ausverhandelten Vertrag, 202 dafür. Für Österreichs Wirtschaft könnte ein harter Brexit bis zu 500 Millionen Euro an Verlusten bringen, erwartet der Linzer Volkswirtschafter und EU-Experte Friedrich Schneider. Doch wie es nun wirklich weitergeht, das lässt sich schwer prognostizieren.

„May am Zug“

Nach der klaren Abstimmung im Unterhaus gegen den von ihr ausverhandelten Brexit-Vertrag, sei nun May am Zug, ein neues Angebot zu machen, so Schneider. „Wenn das nicht gelingt, gibt es einen ungeordneten Brexit“, so Schneider im ORF Oberösterreich-Interview.

Ein ungeordneter Austritt habe für Großbritannien bestimmt schwerere negative Konsequenzen als für die EU, so Schneider. Zwar werde auch die EU leiden, aber die Auswirkungen seien auf mehr Schultern verteilt.

Misstrauensvotum als nächster wichtiger Schritt

Es habe nur dann Sinn, das Austrittsdatum zu verschieben, wenn es die Briten relativ schnell schaffen, eine Alternative zum bisherigen Plan auszuarbeiten – also innenpolitisch einen Kompromiss zu schließen. Zunächst gelte es aber abzuwarten, ob May das Misstrauensvotum am Mittwochabend überstehe, so Schneider. Wenn nicht, dann sei mit einer durchaus chaotischen Situation zu rechnen – dann sei eine Verschiebung des Austritts geboten.

Sollte die Premierministerin abtreten müssen, seien auch Turbulenzen auf den Finanzmärkten wahrscheinlich. Bisher zeigen sich die Finanzmärkte nämlich eher unbeeindruckt. Das britische Pfund legte sogar ein wenig zu. Die Finanzmärkte hätten einen harten Brexit wohl ohnehin schon einkalkuliert,so Schneider.

Der Oberösterreicher Gabriel Felbermayr, Leiter des deutschen Wirtschaftsforschungsinstituts ifo, fordert die EU auf, Großbritannien eine Lösung nach Vorbild des Schweizer Modells anzubieten. Bei so einem Modell würde das Land zwar aus der politischen Union ausscheiden, aber es gebe möglichst viele bilaterale Abkommen. Zentraler Ankerpunkt sollte dabei eine weitere Mitgliedschaft Großbritanniens an der Zollunion sein. Ähnliches könnte man auch der Türkei anbieten, sagt Felbermayr.

Stelzer: rechtliche Sicherheit für Briten in OÖ

Auch Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) meldete sich zum Szenario eines harten Brexit zu Wort. Dass die EU den Ausstiegsvertrag nicht mehr nachverhandeln wolle, sei absolut nachvollziehbar, so Stelzer. Im Falle eines ungeregelten Ausstiegs werden britische Staatsbürger in Oberösterreich laut Stelzer die notwendige rechtliche Sicherheit erhalten. Ziel sei es, alle negativen Auswirkungen eines harten Brexits vorausschauend abzufedern. Anstatt einzelne Gesetze zu erneuern, lasse er ein Begleitgesetz vorbereiten, dass dann in Kraft treten werde. Ein entsprechender Initiativantrag werde in den Landtag eingebracht.

Folgen auch für Landwirtschaft

Ein harter Brexit wäre für die EU-Agrarmärkte und damit für österreichische Bauern ein bedrohliches Szenario, so der Präsident der Landwirtschaftskammer Franz Reisecker. Großbritannien und die EU seien gefordert, akzeptable Lösungen zu finden. Ein harter Brexit würde vor allem den Agrarhandel mit Fleisch- und Milchprodukten treffen, so Reisecker. Großbritannien importiere viele Agrarprodukte aus der EU und werde das nach einem Brexit wohl nicht mehr tun. Am verbleibenden EU-Binnenmarkt für Agrarprodukte und Lebensmittel drohe damit kurzfristig ein Mengen- und Preisdruck und damit wirtschaftlicher Schaden für die heimischen Landwirte.