99,9 Prozent: Stelzer neuer Landesparteichef

Die ÖVP in Oberösterreich hat einen neuen Chef: Thomas Stelzer wurde am Samstag von den ÖVP-Funktionären mit 99,9 Prozent zum neuen Parteichef gekürt. Stelzer will, wie er sagt, Oberösterreich in neue Zeiten führen.

Mit 99,9 Prozent - 971 von 972 abgegebenen Stimmen - wurde Stelzer am Samstag im Linzer Design Center zum neuen Landesparteichef gewählt. Er löst damit Josef Pühringer nach 22 Jahren an der Parteispitze ab.

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971/972: Thomas Stelzer erreichte 99,9 Prozent der Stimmen

Die Latte lag hoch: Pühringer hatte im Oktober 2014 satte 99,4 Prozent der Stimmen bekommen, 2009 waren es sogar 100 Prozent - mehr dazu in Rückblick auf 22 Jahre Josef Pühringer (ooe.orf.at). Pühringer wurde am Samstag zum Ehrenobmann gekürt.

Große Herausforderungen

Stelzers Grundanliegen: „Aus Oberösterreich ein Land der Möglichkeiten machen“. Stelzer stellte gleich zu Beginn den Führungsanspruch für die ÖVP: Das Land stehe vor großen Herausforderungen. Grenzen würden wieder aufgebaut, der internationale Terror halte Europa in Atem und der technologische Fortschritt sei rasant.

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Thomas Stelzer bei seiner Antrittsrede

Keine neue Schulden, sondern Schulden abbauen, ein Bekenntnis zu sozialer Hilfe für jene, die es brauchen – all das versprach Stelzer den Funktionären der ÖVP am Samstag in seiner Rede. Vor allem, die Nummer-eins-Position deutlicher auszubauen.

Rund 2.000 Funktionäre der ÖVP kamen nach Linz, um dem Generationswechsel an der Parteispitze beizuwohnen. Unter ihnen die ÖVP-Bundesregierungsriege mit Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, den Ministern Sebastian Kurz, Sophie Karmasin, Hans Jörg Schelling und Wolfgang Sobotka, die gerade erst gewählte niederösterreichische Landesparteichefin Johanna Mikl-Leitner und Landeshauptmann Erwin Pröll sowie die bayrische Landtagspräsidentin Barbara Stamm.

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2.000 ÖVP-Delegierte kamen zum Landesparteitag

„Bereit für die neue Zeit“ hat sich die ÖVP für diesen Generationswechsel als Motto gewählt. Landeshauptmann Josef Pühringer zog in seiner Rede eine sehr persönliche Bilanz und umriss drei große Ansprüche seiner Regierungszeit: Arbeitsplätze, Sozialpolitik und geistige Weite. In puncto Arbeitsmarkt verwies Pühringer auf die Zahl der Betriebe, deren Anzahl sich in seiner Zeit verdoppelt habe, die Beschäftigten, deren Zahl um 120.000 gestiegen ist, und auf große Infrastrukturprojekte.

Bekenntnis zur Kürzung der Mindestsicherung

„Unsere Sorgen müssen immer den Schwächeren gelten“: Pühringer bekannte sich zu einer funktionierenden Sozialpolitik. Dennoch verteidigte er die umstrittene Kürzung der Mindestsicherung: „Wir haben die Flüchtlingskrise mit Anstand und Hausverstand gelöst.“

„In drei M verliebt“

Ihm sei bewusst, dass es auch in seinen eigenen Reihen nicht immer allen gefiel, dass er in der Kultur „so Gas gegeben hat“. Und auch die Spitalsreform wäre „alternativlos“ gewesen. Er würde sie wieder machen, wenn er auch mehr auf Information setzen würde, wie er einräumte. Als wesentliche Meilensteine nannte er zudem die Medizinfakultät und den Bau des neuen Musiktheaters. Wenn man ihm oft vorgeworfen habe, er sei in die „drei M - Musikschulen, Musiktheater, Medizinfakultät -“ verliebt, so gestehe er: „Ich bin in diese drei M verliebt.“

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Pühringer hielt in einer emotionale Rede Bilanz über seine politische Karriere

Der Bundespolitik empfahl er, nicht zu versuchen „die besseren Blauen zu sein“, auch nicht „die besseren Grünen“ oder „die besseren Roten“: „Wir werden nicht erfolgreich sein, wenn wir nicht die bestmöglichen Schwarzen sind.“

In seiner Rede zeigte sich Pühringer mehrmals bewegt: „Falls ich in den Jahren jemanden verletzt habe, tut mir das leid.“ Ausdrücklich bedankte er sich bei seiner Familie, allen voran seiner Ehefrau Christa, die den Großteil der Kindererziehung übernommen habe. Dadurch seien seine drei Kinder zu großartigen Menschen herangewachsen. „Vielleicht war es besser, dass ich in der Erziehung nicht allzu viel mitgeredet habe.“ Er erinnerte an viele Gespräche am Küchentisch, die ihn immer wieder zurück zum Boden der Realität gebracht hätten.

„Gehe nicht zu den Besserwissern“

Dennoch gehe Pühringer mit einer gewissen Leichtigkeit, weil er die Parteispitze in guten Händen seines Nachfolgers Thomas Stelzer wisse. „Es braucht neue Antworten auf alte Fragen.“ Er versicherte aber: „Ich gehe jetzt nicht zu den Zwischenrufern und Besserwissern.“ Gleichzeitig vergewisserte Pühringer die ÖVP seine Loyalität und Unterstützung.

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ÖVP-Chef und Vizekanzler Mitterlehner spannte einen weiten Bogen von der EU bis hin zur Wirtschaftspolitik und erteilte Neuwahlspekulationen eine klare Absage: „Der Bürger erwartet sich in Zeiten wie diesen Problemlösung, keine Streiterei, keine Auseinandersetzung.“ Daher will er endlich ein „Ende des Neuwahlgeredes“. So wie in Ober- und Niederösterreich müsse man Generationswechsel vollziehen, nicht wie in Wien, so Mitterlehner.

Gewählt wurden auch die Parteiobmann-Stellvertreter. In den Kreis der Vizes zieht neu die designierte Landesrätin Christine Haberlander - statt der Nationalratsabgeordneten Claudia Durchschlag - ein, die übrigen bleiben wie gehabt Agrarlandesrat Max Hiegelsberger, Wirtschaftsbund-Landesobfrau Doris Hummer, Klubobfrau Helena Kirchmayr und ÖAAB-Bundeschef August Wöginger. Alle erhielten zwischen 98,6 und 99,9 Prozent.

Achter Chef der Landes-ÖVP

Stelzer wurde am Samstag zum achten Chef der Landes-ÖVP gewählt. Die Partei geht damit vergleichsweise sparsam mit dem Wechsel ihrer Obleute um - die Bundespartei ist bereits bei ihrem 16. Chef seit Kriegsende angelangt.

Rekordhalter unter Stelzers Vorgängern ist der scheidende Parteichef Josef Pühringer mit 22 Jahren, gefolgt von Josef Ratzenböck (18 Jahre). Die oberösterreichische ÖVP wurde bisher ausschließlich von Männern geführt - und vier von sieben hießen Josef.

Liste der oberösterreichischen ÖVP-Landesobmänner seit 1945:

  • Josef Zehetner (1945)
  • Josef Stampfl (1945 - 1947)
  • Albert Schöpf (1947 - 1951)
  • Heinrich Gleißner (1951 - 1968)
  • Erwin Wenzl (1968 - 1977)
  • Josef Ratzenböck (1977 - 1995)
  • Josef Pühringer (1995 - 2017)
  • Thomas Stelzer (ab 2017)

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