Zeltstädte: Gemeinden „überrumpelt“

Nachdem Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) in Linz, Salzburg und St. Georgen im Attergau Zeltstädte errichten ließ, um den Flüchtlingsansturm zu bewältigen, regt sich in St. Georgen Widerstand, man fühlt sich überrumpelt. Für LH Josef Pühringer (ÖVP) sind die Zelte eine „Notmaßnahme“.

Geschlossen und vor allem sehr entschlossen traten die acht Lokalpolitiker in St. Georgen im Attergau Freitagvormittag vor die Presse. Allen voran der St. Georgener Bürgermeister Ferdinand Aigner (ÖVP), der seine Parteikollegin Mikl-Leitner scharf kritisierte: „Ich bin gestern um 9.30 Uhr vom Ministerium angerufen worden. Dieser Herr hat mir dann auch gleichzeitig gesagt, dass mich die Ministerin spätestens mittags anrufen wird. Auch vom Landeshauptmann habe ich die Information bekommen, dass mich die Ministerin kontaktieren wird. Das ist bis jetzt nicht erfolgt. Das ist für mich persönlich befremdend und auch für die ganze Region.“

„Nacht-und-Nebel-Aktion“

Nahe dem Erstaufnahmezentrum Thalham in St. Georgen wurden die zwölf Zelte vom Roten Kreuz aufgebaut, in einer „Nacht-und-Nebel-Aktion“, wie betont wird. Hier sollen knapp 100 Flüchtlinge vorläufig Platz finden, die Innenministerin reagiert damit auf rund 900 Asylanträge, die Anfang dieser Woche eingegangen sind. Auch in Linz und Salzburg wurden derartige Zeltstädte errichtet.

In St. Georgen ist der Ärger groß, in der 4.500 Einwohner fassenden Gemeinde befinden sich bereits über 200 Flüchtlinge, mehr sei nicht möglich, so Aigner: „Ich lehne das kategorisch ab. Ich glaube, dass muss man sich auch anschauen, ob das überhaupt machbar ist, ob die Hygiene- und Sanitätsauflagen erfüllt werden. Es sollen ja die Menschen trotzdem würdig untergebracht werden. In Zelten und auf kleinstem Raum, das kann ich mir nicht vorstellen.“

Auch Kritik der Nachbargemeinden

Auch die Bürgermeister der Nachbargemeinden Berg und Straß stellen sich gegen die Zelte, heftige Kritik kommt auch von der St. Georgener FPÖ. Die Freiheitlichen sehen einen großen Teil als „Scheinasylanten“, viele seien kriminell.

„Notmaßnahme“ für Pühringer

Für den Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) sind die Zeltstädte für Flüchtlinge eine „Notmaßnahme“, vor allem jenes in St. Georgen, wo es ohnehin eine Erstaufnahmestelle gebe. Er will die Öffnung von Kasernen. Das lehnte aber der Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) für die Kaserne im Stadtteil Ebelsberg ab.

„Dauerhafte Lösungen sind das nicht“, sagte Pühringer am Rande einer Pressekonferenz am Freitag in Linz. Er halte es für wichtig, dass Kasernen geöffnet werden, „allerdings ist das von heute auf morgen nicht zu machen“. Innenministerin Mikl-Leitner habe ihn am Mittwoch über die Maßnahme informiert. Sie habe sein ganzes Verständnis, „so einen Job musst du erst einmal machen“. Wenn die Flüchtlingsströme weiter in dieser Größenordnung anhielten, sei aber dringend auf europäischer Ebene eine andere Verteilung zu beschließen. Es sei nicht einzusehen, dass Österreich - gemessen an der Einwohnerzahl - das Dreifache von Deutschland aufnehmen müsse, so Pühringer. „Die EU muss rasch handeln.“

Luger gegen Nutzung der Kaserne Ebelsberg

Luger argumentierte erneut gegen die Nutzung der Kaserne Ebelsberg als Flüchtlingsquartier: „Wir haben mit Großquartieren schlechte Erfahrungen gemacht und sind deshalb zu einem System der dezentralen Kleinquartiere übergegangen. Abgesehen davon ist eine solche Umnutzung der Kaserne rechtlich nicht möglich.“

Er schlägt eine grundsätzliche Neuordnung der Asylbetreuung vor: Erstens solle in jedem Bundesland ein Erstaufnahmezentrum errichtet werden, zweitens brauche es fixe Quoten für jeden Bezirk und drittens ein Durchgriffsrecht für das Innenministerium, um die planmäßige und rasche Verteilung der Schutzsuchenden zu gewährleisten.

Die Zeltstadt bei der Bundespolizeidirektion Linz akzeptiert der Bürgermeister nur als Notlösung mit Ablaufdatum: „Bis spätestens Ende Juni müssen diese Zeltstädte der Vergangenheit angehören und die Aufnahme und Verteilung der Asylsuchenden wieder so organisiert werden, wie es angemessen ist.“

Grüne beharren auf Öffnung der Kaserne Ebelsberg

Der grüne Klubobmann Gottfried Hirz beharrte hingegen auf der Öffnung der Kaserne Ebelsberg und verwies auf eine derartige Nutzung der Kaserne Freistadt. „Österreich ist nicht der Libanon, wo Millionen Flüchtlinge auf kleinstem Raum untergebracht werden müssen, 96-Personen-Zeltstädte können nur die absolute Ausnahme für wenige Tage sein.“ Außerdem trat er für eine Unterbringung im Europacamp in Weißenbach (es gehört der Sozialistischen Jugend, Anm.) am Attersee ein.

FPÖ: „Asylpolitik gescheitert“

Für Manfred Haimbuchner von den Freiheitlichen ist die Errichtung der Zeltlager ein deutliches Indiz dafür, dass die Asylpolitik der Innenministerin gescheitert ist. Das Boot sei voll, Österreich könne nicht weiterhin die Grenzen für alle offenhalten. Haimbuchner fordert eine gerechte Aufteilung der Flüchtlinge auf EU-Ebene.

NEOS für kleinere Wohneinheiten

Asylwerber sollten nicht in Zeltstädte gepfercht, sondern in kleineren Wohneinheiten untergebracht werden, sagte NEOS-Landessprecherin Judith Raab. Denn Lager wie jenes in Linz lösten bei Teilen der Bevölkerung Widerstand aus und würden ausländerfeindliche Gruppen befeuern, so Raab.

BZÖ: Für Flüchtlinge und Bevölkerung nicht zumutbar

BZÖ-Bündnissprecher Rainer Widmann sagte, Zeltstädte seien weder für die Flüchtlinge noch für die ansässige Bevölkerung zumutbar. Österreich müsse die angedachten EU-Quoten mit allem Nachdruck in Brüssel umsetzen.

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