400 Doktorarbeiten gegen Bezahlung?

Ein ehemaliger Linzer Manager der voest und jetziger Betreiber eines Saunaclubs in Wien lässt mit seiner Aussage aufhorchen, er habe gemeinsam mit anderen Studenten rund 400 Doktorarbeiten gegen Bezahlung geschrieben.

Gemeinsam mit anderen Studenten habe er quer durch alle Studienrichtungen Doktorarbeiten an den Universitäten in Linz, Wien, Salzburg und Innsbruck verfasst, sagt Dr. Alexander Gerhardinger heute, 20 Jahre danach, im Interview mit Radio Oberösterreich und bestätigt damit auch einen Artikel in der Tageszeitung „Österreich“ (Dienstag-Ausgabe): „Eine Doktorarbeit entsteht aus vielen verschiedenen Komponenten wie etwa aus Büchern, Zeitungsberichten und anderen Dissertationen. Oft haben wir nicht ganze Arbeiten geschrieben, sondern nur Teile davon. Wenn jemandem also ein Teil einer Dissertation gefehlt hat, hat er sich ihn eben woanders besorgt.“

Keine Zeit für Doktoratsstudium

Zuerst sei es eher eine Art Tauschbörse gewesen, erinnert sich Gerhardinger zurück. Erst Stück für Stück sei die Nachfrage nach ganzen Arbeiten gestiegen. Auftraggeber seien meistens Studenten gewesen, die schon sehr unter Zeitdruck oder bereits im Arbeitsleben standen. Ursache dafür, dass so wenige Doktoranden aus der Universität kommen, sei für Gerhardinger, dass die Leute keine Zeit mehr hätten, fertig zu studieren.

„Keine wissenschaftlichen Arbeiten mehr“

Unter den 400 Betroffenen seien auch Personen, die heute durchaus in hohen Positionen zu finden sind, Namen nennt Gerhardinger aber nicht. Damals sei dieses Vorgehen ganz normal gewesen - schuld daran sei das System und nicht die Studenten gewesen. Kritik übt Gerhardinger auch noch heute. Dissertationen seien schon lange keine wissenschaftlichen Arbeiten mehr: „Auch bei den sogenannten regulären Arbeiten wird alles abgeschrieben - nur eben mit Fußnote und Zitat.“

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Akademische Titel erschwindelt?

Dass sich all jene, die ihre Arbeit nicht selbst geschrieben haben, ihren Doktortitel erschwindelt hätten, findet Gerhardinger nicht: „Aus einer üblichen Sache ist es noch üblicher geworden, viele Bücher zu lesen, zu sammeln und zu zitieren. Aber es ist überhaupt nicht mehr üblich, seine eigene Meinung in einer Dissertation zu vertreten. Das kann sich heute keiner mehr leisten.“ Eine Lösung wäre für Gerhardinger, dass Firmen mehr Arbeiten in Auftrag geben. So könnte der Student fertig studieren, und die Unternehmen bekämen neue Erkenntnisse.

Eigene Dissertation selbst geschrieben

Was seine eigene Dissertation betrifft, spricht Gerhardinger von einem zufälligen Glücksfall. Er habe die Arbeit selbst geschrieben - eine beratende Funktion in der Politik bei der Schaffung des Spielautomatengesetzes habe ihm Recherchen und die Arbeit an seiner eigenen Dissertation möglich gemacht.

Nach dem Universitätsgesetz bestehe eine strafrechtliche Bestimmung, erklärt der Linzer Rechtsanwalt Kurt Lichtl: „Nach Paragraf 116 ist es untersagt, vorsätzlich akademische Grade zu führen, die man nicht selbst erlangt oder erarbeitet hat.“ Diese Tat ist ein Verwaltungsstrafdelikt und wird von der Bezirksverwaltungsbehörde geahndet. Der Strafrahmen liegt bei bis zu 15.000 Euro. „Im Gesetz steht aber nicht explizit, dass die Dissertation selbst geschrieben werden muss, es ist aber vorausgesetzt, weil ein akademischer Grad natürlich nur durch eigene akademische Leistungen erlangt werden kann“, so Lichtl.