Außenansicht Parlament in Wien
ORF.at/Sonja Ryzienski
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Schwerpunkt Zeitgeschichte: Demokratie in der Krise?

„Erfolgsmodell Demokratie – eine Staatsform in der Krise?“ So lautete das Thema der Sendung „Schwerpunkt Zeitgeschichte“ am Sonntag, 26.5. ab 21.03 Uhr, die von Michael Huemer gestaltet wurde.

Sendungshinweis

„Schwerpunkt Zeitgeschichte“, 26.5.19

Noch nie gab es weltweit so viele Länder, die sich selbst als demokratisch bezeichnen. Eigentlich müsste man von einem Erfolgsmodell sprechen. Seit geraumer Zeit entwickeln sich einige liberale Demokratien hin zu illiberalen wie in Russland, Ungarn oder Polen. Wobei der Begriff „illiberal“ zwei gegensätzliche Demokratiemodelle suggeriert. Das liberale Modell beruht auf Gewaltenteilung und Minderheitenrechte.

Das illiberale setzt den Mehrheits- oder vermeintlichen Volkswillen gegen eine liberale Elite durch, das gelingt nur durch eine starke Regierung. Diese nimmt sich heraus, dass sie durch eine Wahl von der Bevölkerung ermächtigt wurde, so zu handeln, wie sie es für richtig hält.

Die Sendung zum Nachhören:

Regierungsparteien gestalten den Staat um

Politiker wie Viktor Orban oder Vladimir Putin behaupten außerdem, dass das liberale Modell ermüdet und nicht mehr fähig sei, die Interessen einer Nation zu vertreten geschweige denn zu schützen. Sie lehnen die Werte der liberalen Demokratie nicht grundlegend ab, betrachten sie aber auch nicht als zentrales Element der staatlichen Organisationen. In einer illiberalen Demokratie wie in Ungarn oder Polen sieht man nicht, wie Demokratie abgebaut wird.

Außenansicht Parlament in Wien
ORF.at/Sonja Ryzienski

Die Regierungsparteien gestalten den Staat um, um die Gerichte und die Medien zu kontrollieren. Sie schikanieren unliebsame Bevölkerungs- und Oppositionsgruppen. Ein illiberaler Staat ist daher oft undemokratisch oder autoritär. Weil die liberale Demokratie, wie wir sie kennen, vielerorts auf dem absteigenden Ast zu sein scheint, empfehlen sich gewissermaßen illiberale und autoritäre Herrschaftsformen mit einem „starken Mann“ an der Spitze.

Skeptische Stimmen mehren sich

Die traditionelle repräsentative Demokratie scheint global in einer Krise zu stecken. Skeptische Stimmen dazu mehren sich wie Mark Warren, Politikwissenschaftler an der Universität von British Columbia: „Es ist der Populismus in vielen Ländern der Erde, der um die Demokratie fürchten lässt: Der Brexit, ein US-Präsident, der demokratische Institutionen verachtet, globale Probleme, die eigentlich nur supranational gelöst werden können, aber nicht gelöst werden.“ Professor Manfred Görtemaker, Historiker an der Universität Potsdam meint: „Die Demokratien heute sind weithin überfrachtet. Der Staat hat sich zu viele Lasten aufgeladen, die er nicht mehr schultern kann.“

„Wenn Bedürfnisse nicht ernst genommen werden“

Und Robert Dahl, ehemaliger Politikwissenschaftler an der Yale University, kommt zu dem ernüchternden Schluss, dass jede Transformationsstufe mit einem Verlust von Demokratie verbunden ist. Das heißt, je größer und unübersichtlicher ein sich demokratisch nennender Staat ist, umso weniger Mitbestimmung ist möglich.“ Das würde bedeuteten, dass solange sich Mitglieder der Europäischen Union mit ihrer nationalen Identität nicht auf europäischer Ebene repräsentiert fühlen und die Bewohner den Eindruck gewinnen, dass sie in ihrer Lebenssituation und ihren Bedürfnissen nicht ernst genommen werden, sie sich nie mit dem Ganzen identifizieren werden.

„Demokratie! Zumutung oder Zukunft“

Die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern und wie diese gestaltet werden, neue Ansätze für direkte Demokratie, die Bewahrung der Meinungsfreiheit in einer digitalisierten und ökonomisch globalisierten Welt oder Religionsfreiheit waren die Themen, die im März dieses Jahres bei einem Symposium mit der Überschrift „Demokratie! Zumutung oder Zukunft“ im Stift Dürnstein diskutiert wurden. Wir haben einen Vortrag mitgeschnitten, den Hans Vorländer über diese Problematik hielt. Er ist Politologe und Professor für politische Theorie und Ideengeschichte an der TU Dresden, er ist Direktor des Zentrums für Verfassungs- und Demokratieforschung. Titel seines Vortrages: „Das Versprechen der Demokratie und die Fragilität demokratischer Ordnung“.

Michael Huemer; ooe.ORF.at