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pixabay/congerdesign
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Neuer Lesestoff in „Premiere“

Wie sich die Seele in künstlerischer Arbeit äußern kann, zeigt Wolfgang Pennwieser in seinem Roman „Jeder Mensch ist eine Insel“. Ein gesellschaftlicher Außenseiter hält im Buch Einzug in die Kunstwelt. Außerdem in „Premiere“ am Samstag ab 19.03 Uhr: Hörens- und Lesenswertes von Lydia Haider, Tamara Imlinger und Renate Silberer.

Der Angst mit dem Bunten begegnen

Der bedrohlich scheinenden Umwelt ihre Gefährlichkeit zu nehmen – das ist es, was die Hauptfigur Wallner aus Wolfgang Pennwiesers Roman „Jeder Mensch ist eine Insel“ mit Pinsel und Farbe erreicht. Durch das Bemalen nehmen Bäume, Container und Müllbehälter für den an Schizophrenie erkrankten Mann bunte, erträgliche Formen an. Tagelang übermalt er im Kleingartenhaus alte Tapeten mit floralen Mustern aus Flora und Fauna.

Sendungshinweis

„Premiere“, 19.2.22

Hausarzt und Bürgermeister zählen zu den wenigen Menschen, die Wallner in seiner Krankheit akzeptieren und an seiner Schaffenskraft nicht hindern. Künstlerische Arbeit und psychische Beeinträchtigung bleiben aber seit langem von den Nachbarn nicht unbemerkt und schon gar nicht unkritisiert. Eine Kunsttherapeutin und ein Galerist sind bald von der Qualität von Wallners Arbeiten überzeugt, und das bringt ein bislang einsames Dasein in einen ungewohnten, neuen Takt.

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Autor Wolfgang Pennwieser arbeitet als Facharzt für Psychiatrie in Wien. 2016 ist er mit seinem Romandebüt über das Vater-Werden in Erscheinung getreten. In seinem jüngsten Buch beschreitet der Autor inhaltlich ganz andere Wege: Er befasst sich in einfühlsamer Weise mit dem Schicksal eines Menschen mit paranoider Schizophrenie und den Auswirkungen dieser Diagnose auf das alltägliche und künstlerische Leben des Betroffenen, aber auch seiner Mitmenschen.

„Art brut“, eine zunehmend und zu Recht immer stärker beachtete Kunstform von Menschen am Rande der Gesellschaft, bildet im Buch den roten Faden, der nicht zuletzt auch zu den wichtigen Themen der Menschlichkeit und der gegenseitigen Fürsorge führt.

„Facetten 2021“ als Füllhorn für Lesefreudige

In der kommenden „Premiere“-Sendung treten erneut Autorinnen aus „Facetten 2021 – Literarisches Jahrbuch der Stadt Linz“ mit ihren Texten vor den Vorhang. Für ein Kreativprojekt der Mode-Designerin Romana Zöchling ist Lydia Haiders Text „Also sprach Anna“ entstanden. Das Label „Ferrari Zöchling“ im 7. Wiener Gemeindebezirk präsentierte ein Jahr lang jeden Monat ein neues Projekt einer jüngeren Frau über eine ältere Frau. Die 1985 in Steyr geborene und nun in Wien lebende Autorin hat dafür den Dialekt-Text „Also sprach Anna“ entwickelt. In einer Ansammlung von geläufigen Redewendungen in Mundart erinnert sie sich an gut gemeinte Aufforderungen, an Äußerungen der Entrüstung oder an ganz nüchterne Feststellungen ihrer Großmutter – einerseits in sympathischer Dialektform, andererseits in gewissermaßen salonfähiger Hochsprache. Die Redewendungen zierten im Rahmen des Wiener Projektes auch Morgenmäntel, die damit über und über bedruckt und somit zu einer Art zweiter Haut wurden.

Vom Erzählen zur Postkarte und wieder zurück

Tamara Imlinger, Jahrgang 1985, erzählt in ihrem Text „Das Menü“ eine dichte, vielschichtige Geschichte einer jungen Frau, die sich an ihre Vorfahrin erinnert. Während sie an ihre Großmutter denkt, die die 1930er und 1940er Jahre erlebt und doch nie darüber gesprochen hat, bereitet die Frau mehrere Gerichte zu. Aber nicht einmal von der Rahmsuppe nach Omas Machart nimmt sie mehr als wenige Bissen ein. Schnell landet alles Gekochte im Müll, und draußen auf der Straße beobachtet die Frau im Makrokosmos ihrer Umgebung ebenfalls einen seltsamen Umgang mit Entsorgtem. Immer wieder kehren die Gedanken zur Großmutter zurück. Was wird sie wohl einst beim Blick aus dem Fenster zu Gesicht bekommen haben?

Tamara Imlinger arbeitet als Historikerin, als pädagogische Vermittlerin im Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim, als Musikerin und als KUPF-Redakteurin. Für den FM4-Kurzgeschichtenwettbewerb „Wortlaut“ 2020 verfasste die Autorin einen der zehn besten Texte und ist damit auch in der begleitenden Publikation (Luftschacht Verlag) vertreten.

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„Die bewegte Au“: Textminiaturen auf Postkarten von Tamara Imlinger

Auch das Medium der guten alten Postkarte findet bei der Künstlerin eine neue Interpretation: Die Karten werden zu Prosa-Karten und enthalten Text-Miniaturen. Postkarten wie diese finden Eingang in das Format „Salon LIMUSIN“, das Tamara Imlinger derzeit entwickelt. Ab 1. April wird es im Alten Schl8hof Wels auf die Bühne gelangen – als eine vielversprechende Verbindung verschiedenster KünstlerInnen und Sparten wie Kurzprosa und Musikimprovisation, Hörspiel und grafische Gestaltung oder Geschichte(n) und Konzert. Mit der Auftaktveranstaltung wird auch die Ausstellung „Die bewegte Au“ eröffnet: Basierend auf einem Arbeitsaufenthalt im Nationalpark Donau-Auen hat Tamara Imlinger eine Miniaturensammlung auf Postkarten über Flussregenpfeifer, Schildkröten, Anrainer*innen und Bezüge zur NS-Zeit veröffentlicht. Jede/r kann die Installation mit Postkarten ergänzen – oder die Karten für sich behalten.

In die Schönheit des Alltags hineingefühlt

Mit fünf Gedichten ist Schriftstellerin Renate Silberer im Jahrbuch „Facetten 2021“ vertreten. Eines dieser lyrischen Werke rund um eine stimmig geschilderte häusliche Szene mit Katze, Wacholder und Körperwahrnehmung ist in „Premiere“ zu hören. Die in Linz lebende Autorin hat im Vorjahr ihren von der Literaturpresse sehr gut rezensierten Roman „Hotel Weitblick“ (Verlag Kremayr & Scheriau) über ein Bewerbungsverfahren zwischen sogenannten Leistungsträgern veröffentlicht – ein zeitgemäßes Werk über äußeres Karrierestreben und die inneren, persönlichsten Seiten von Menschen.

Renate Silberer ist unter anderem Trägerin des Rauriser Förderungspreises 2013 und las als Finalistin beim Wettbewerb Floriana 2014.

Es lesen Daniela Wagner und Harald Bodingbauer.

Literaturhinweise zur Sendung:

  • Wolfgang Pennwieser: Jeder Mensch ist eine Insel (Roman, 2021, Czernin Verlag)
  • Lydia Haider: Also sprach Anna / Tamara Imlinger: Das Menü/ Renate Silberer: Gedicht. Aus „Facetten 2021 – Literarisches Jahrbuch der Stadt Linz“, erschienen im Verlag Bibliothek der Provinz. Herausgegeben von Erich Klein mit Linz Kultur, koordiniert von Peter Leisch.