Bücherstapel mit Blumen
ORF/Johannes Puch
ORF/Johannes Puch
Premiere

Sommerbibliothek: „Damenabend“

Ein Damenabend als Lehrstunde für Mut: Frauen, die sich durch schwierige Lebenssituationen gekämpft und dabei ihrer Umgebung auch noch jede Menge Liebe zuteilwerden ließen, stehen am Samstag im Mittelpunkt der „Premiere-Sommerbibliothek“.

Sendungshinweis:
„Premiere – Literatur. Lebensart. Livemusik“, 4.9.21, 19.03 Uhr

Wenn „ledige Kinder etwas wollen dürfen“

In ihrem Buch „Die alte Johanna“ erzählt die 1937 in Wien geborene Autorin und Übersetzerin Renate Welsh aus der Sicht der betagten Johanna.

Als 13-jähriges Mädchen hätte Johanna in den 1930er Jahren so gerne etwas gelernt. Hoffnungsfroh und ambitioniert will sie ihr selbst gestecktes Ziel einer Ausbildung erreichen, aber auf sie wartet nur Schwerstarbeit auf einem Bauernhof. Man gibt ihr zu verstehen: „Das wäre ja noch schöner, wenn ledige Kinder schon was wollen dürften“. Der Umstand, unehelich geboren zu sein, legt Johanna mehr als einmal Steine in ihren jungen Lebensweg – und doch bringt sie Kraft genug auf, voranzuschreiten und die zehrende Armut hinter sich zu lassen.

Johanna hat es wirklich gegeben: 1965 kaufte der Vater der Autorin einen alten Bauernhof, und Renate Welsh kam dort alsbald mit der Nachbarin Johanna ins Gespräch. 1979 veröffentlichte die Schriftstellerin den österreichischen Jugendbuchklassiker „Johanna“. Der nun vorliegende Folgeband „Die alte Johanna“ ist einer starken, mutigen Frau gewidmet, die im Alter zur Tochter zieht und im ruhigen Tagesablauf frühere Geschehnisse Revue passieren lässt.

Buchtitel Renate Welsh „Die alte Johanna“
ORF/Raab

Trotzkopf und Lebenskünstlerin

Als Trotzkopf und Dickschädel bezeichnen die Eltern ihre Tochter Andrea im Roman „Gipskind“ von Gabriele Kögl. Die in Graz geborene und in der Weststeiermark aufgewachsene Autorin legt ihrem Buch autobiographische Ansätze zugrunde und schreibt eine Geschichte darüber, wie es einer jungen Frau gelingt, aus Einschränkung und Schattendasein heraus zu treten, denn: Außerhalb der eng gesteckten Grenzen im Heimatort gibt es die Möglichkeit zur Entfaltung nach eigenem Willen.

Das Aufwachsen Andreas in ländlicher Umgebung ist zunächst von Arbeit und vom Hausbau der Eltern geprägt. Im Alltag gilt die Mithilfe des Mädchens als unhinterfragte Selbstverständlichkeit, während für Wärme und familiäre Beziehungen wenig Zeit bleibt. In vielen Dingen auf sich allein gestellt, entwickelt Andrea schon als Kind ein erstaunliches Maß an Selbständigkeit und Durchsetzungsvermögen. Die Großmutter, die dem Mädchen zur einzig wirklich vertrauten Person wird, wird von ihrer Enkelin mit Hausverstand beschützt und betreut – denn nichts fürchtet das Kind mehr, als die geliebte Großmutter nicht an seiner Seite zu wissen.

Buchtitel Gabriele Kögl „Gipskind“
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„So nah an der Erd‘ geboren wie ein Wurm“

Das Schicksal einer in arme Verhältnisse geborenen jungen Frau liegt dem Band „Lumpenhanni. Von der kleinen Leute Größe“ von Franzobel zugrunde. Von der „Heiligen Johanna vom Misthaufen“ ist da die Rede – und von der Fremdbestimmtheit aufgrund der großen Armut. Der Band ist dem Leben von Hanni Rittenschober gewidmet. Sie starb heuer am 19. März kurz nach ihrem 100. Geburtstag.

Gegen Hanni schien sich das zwanzigste Jahrhundert mit seinen Kriegen, aber auch die persönliche Umgebung verschworen zu haben. Doch da kann eine wie die Lumpenhanni in ärmlichster Aufmachung erscheinen: Menschen wie sie setzen unsagbar wertvolle Zeichen der Hoffnung in Zeiten von Not und Unsicherheit. Franzobel lässt Johanna gegen Ende ihres Lebens in einem Monolog erzählen. Vor dem Tod kennt sie keine Angst, denn sie war gut, das weiß sie.

Buchtitel Franzobel „Lumpenhanni“
ORF/Raab

Gerda Lischka und Ninja Reichert lesen in „Premiere“ ausgewählte Ausschnitte und Leseproben aus den genannten Büchern.

Literaturhinweise zur Sendung

  • Renate Welsh: „Die alte Johanna“ (Czernin Verlag). Auch der erste Band „Johanna“ wurde im selben Verlag neu aufgelegt
  • Gabriele Kögl: „Gipskind“ (picus Verlag)
  • Franzobel: „Lumpenhanni. Von der kleinen Leute Größe“. Illustration von Ramona Schnekenburger. Herausgeber: Richard Pils (Verlag Bibliothek der Provinz)

Jeden zweiten und vierten Samstag Musik

Jeden zweiten und vierten Samstag heißt es in der Sendung Premiere „Ton ab“ für Musik. Dann stellt die Musikredaktion das Beste aus Liveauftritten von Künstlern zusammen, die Musikgeschichte geschrieben haben.