New Orleans
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Lust aufs Leben

Jazz in den 40er- und 50er-Jahren

Den dritten Teil unserer Jazz-Serie in der Sendung „Lust aufs Leben“ am Sonntag widmet Michael Huemer dem Jazz in den 40er- und 50er-Jahren; Bebop, Cubop, Cool Jazz.

Sendungshinweis:

„Lust aufs Leben – Kultur aus allen Richtungen“, 9.2.20, 21.03 Uhr

In keiner anderen Zeit als in den 1930er-Jahren hatte der Jazz eine so große Anhängerschaft wie zurzeit der Swing-Ära. Das lag am Stil dieser populären Musik, er passte als Begleitung und traf den Nerv dieser Zeit. Die Amerikaner waren nach der Prohibition, nach dem Wallstreet-Crash und anschließender „Großer Depression“ in der Zeit von 1929 bis 1941 versessen auf den Bigband-Swing, der dadurch Gefahr lief, zu kommerzieller Tanz- und Unterhaltungsmusik glattpoliert zu werden. Der Swing tendierte immer mehr zu einer versüsslichten europäisch gefärbten Schlagermusik mit Interpreten wie Bing Crosby, Nat King Cole, die Andrews Sisters, Doris Day, Frank Sinatra, Johnny Mercer und Peggy Lee.

Zwar hatten die Bands von Duke Ellington, Count Basie, Woody Herman, Jimmie Lunceford und Benny Goodman ihre besten Jahre noch vor sich, aber einige Musiker suchten mit Beginn des Zweiten Weltkriegs nach neuen Wegen.

Musikbox
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Die arrangierten Musikteile hatten die Improvisation mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt und mancher Musiker empfang die Bigband geradezu als ein Gefängnis. Es waren nicht die damals im Rampenlicht stehenden Orchester und Bigbands, es waren sogenannte „Jam Sessions“, denen der Bebop als Nachfolgestil des Swing seine Entstehung verdankt. Eine Jam-Session bedeutet unter Musikern die Gelegenheit, ein zwangloses, ausgedehntes Spielen abseits von den Anforderungen eines festen Jobs wahrnehmen zu können. Zeitlich befinden wir uns in den 1940er-Jahren des 20. Jahrhunderts.

Profimusiker als Wegbereiter

Die Wegbereiter dieses neuen Jazzstils, wenngleich noch sehr jung, waren mit Sicherheit alles andere als Randfiguren der Jazzszene, sondern sie hatten in den Orchestern eine solide professionelle Ausbildung durchlaufen. Dizzy Gillespie, Charlie Parker, Coleman Hawkins, Charlie Christian, Thelonious Monk, Kenny Clarke sind Musiker, die sensibler als ihre Zeitgenossen auf die Erosionserscheinungen des kurz vor dem Zweiten Weltkrieg noch recht beliebten Swing-Stils reagierten.

Kaum war der letzte Ton verklungen und das letzte Set beendet, strömten die Jüngeren der Musiker zu den kleinen Clubs in Harlem, die bis um vier Uhr geöffnet hatten wie „Minton’s Playhouse“ auf der 118. Straße. Ähnliche Jamsessions gab es die ganze Nacht in „Monroe’s Uptown House“ in der 134. Straße. In anderen kleinen Bars und After-Hour-Clubs wie im „Royal Roost“, „Small Paradise“ oder „Three Deuces“ beginnt man, gemeinsam zu musizieren und in ausgedehnten Improvisationen zu wetteifern. Dank dieser Freiheit der Entfaltung erfüllten diese Jam Sessions die Rolle von Laboratorien, in denen neue Ideen ausprobiert werden konnten. Hier wurde das Fundament für den Bebop gelegt, der sich bald in der Jazzwelt verbreitete und die veraltete Musik der Bigbands durch eine innovative, spannende musikalische Sprache ersetzte.

Jazz mit Bass und Schlagzeug
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Mit dem Zweiten Weltkrieg nahmen die sozialen Probleme in den Vereinigten Staaten zu und alte Rassenkonflikte brachen wieder auf. Mit der Verantwortung, die die schwarzen Soldaten im Krieg übernahmen, veränderte sich auch das Selbstbewusstsein in der schwarzen Bevölkerung. Und die jungen schwarzen Musiker wollten sich ganz bewusst von der Musik des Swing absetzen, der in ihren Augen von den Weißen vereinnahmt wurde.

Schluss mit Klischee

Sie hatten genug von der Rolle des „Onkel Tom“, dem Klischee des netten harmlosen Negers, der nur für die Unterhaltung der Weißen zu sorgen hatte, die noch immer in separaten Hotels übernachteten, in anderen Restaurants essen mussten und an einigen Orten gar nicht erst auftreten durften. Sie wollten als Künstler anerkannt werden, die ihre eigene Musik mit afroamerikanischer Prägung machen. Sie besannen sich auf ihre schwarzen musikalischen Wurzeln, viele grenzten sich durch den Übertritt zur islamischen Religion ab. Auf der Suche nach einer eigenen, schwarzen Identität riskierten sie, vom Publikum, von Kritikern und sogar von Musikerkollegen abgelehnt zu werden.

Musiker mit Posaune,und Saxophon
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Der teilweise gehetzte Rhythmus, die nervösen Phrasen, die scheinbar grundlos anfangen und wieder abreißen, die Melodiefetzen in oft rasenden Läufen, die ungewohnten und vertrackten Rhythmen erschreckten durchaus auch Jazzkenner. Der Bebop gab die Stimmung unter den Schwarzen besser wider als der geleckte Swing der Bigbands. Bebop war eine Musik der Revolte, eine Revolte gegen Arrangeure, flache Harmonien, leichte Rhythmen und gegen grundsätzlich jede Form der kommerziellen Musik. Die Musiker und ihre Fans gaben sich betont intellektuell und nonkonformistisch. Sie unterstrichen ihre Exklusivität durch Kinnbärte, Baskenmützen, Hornbrillen, Hüte und einen hippen Jargon. Es musste so kommen. Viele konnten einfach nichts anfangen mit dieser verwirrenden Musik, die nicht unterhalten und zu der man nicht einmal tanzen konnte. Der Bebop war einfach zu schwierig, um sich beim breiten Publikum durchsetzen zu können.

Dann wurde Musik wieder ruhiger

Wie so oft in der Jazzmusik, wenn ein Stil oder eine Spielweise zu kommerzialisiert oder überhaupt nur von Insidern goutiert wird, schlägt das Pendel in die entgegengesetzte Richtung. Gegen Ende der vierziger Jahre traten an die Stelle der nervösen Unruhe und Aufgeregtheit des Bebop immer mehr Ruhe, Überlegenheit und Ausgeglichenheit. Die Stimmung in den Vereinigten Staaten war damals geprägt von einem Gefühl der Unsicherheit. Die Nachwehen des Zweiten Weltkrieges, das Engagement der USA im Koreakrieg, die atomare Bedrohung, der Beginn des Kalten Krieges, all das führte zu Misstrauen und Verwirrung. In der Musik beherrscht die kühle Konzeption den Jazz mit dem Interesse an Geschlossenheit, Klarheit und Kontrolliertheit hinsichtlich struktureller Entwicklung und Ausdruck. Man spricht vom Cool Jazz als Logik und Ausdruck einer notwendigen Verschnaufpause nach der hektischen Zerrissenheit des Bebop. Eine bewusste Abwendung dessen energetisch aufgeladener Atmosphäre und spontaner Virtuosität.

Als die Jazz-Welle nach Osten kam

New York war das Zentrum des urbanen Jazz. Hier an der Ostküste wurde überwiegend aufgenommen und veröffentlicht. In Kalifornien gab es zwar eine Szene von Musikern, die in der Region Hollywood mit der stetig anwachsenden Filmindustrie anfänglich noch klein blieb. Das änderte sich in den 50er-Jahren, als sich besonders viele Jazzmusiker in und um Los Angeles und San Francisco versammelten und eine neue Welle von Ost nach West schwappte. Dem „East Coast Jazz“ aus New York wird der „West Coast Jazz“ gegenübergestellt.

Trompete und daneben Mischpult
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Eigentlich war der Ausdruck „West Coast Jazz“ von den Plattenfirmen mehr als Verkaufsetikette gedacht. Er war geprägt von einer an europäischen Klang- und Strukturidealen orientierten Ästhetik, gespielt fast ausschließlich von weißen Musikern und konsumiert von einem überwiegend weißen Publikum. Bekannte Vertreter dieser Stilrichtung sind die Saxophonisten Stan Getz, Jimmy Giuffre, Lee Konitz, Dexter Gordon, Gerry Mulligan. Herausragende Pianisten sind an der Westküste Dave Brubeck, Bill Evans und Lennie Tristano, die Trompeter Shorty Rogers und Chet Baker. Die Musik an der Westküste mag insgesamt etwas sanfter und runder gewesen sein, der Sound in New York etwas rauer und kantiger. Aber allen musikalischen Vordenkern in Los Angeles und San Francisco ebenso wie in New York war eines gemein: sie waren beständig auf der Suche nach neuen Klängen, Ausdrucksformen und Spielweisen.

Michael Huemer /ooe.ORF.at