Altes Blasinstrument
pixabay/kerttu
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Neue Volksmusik in Bayern

Zwischen Anarchie und Tradition – Die „Neue Volksmusik“ in Bayern: So lautet das Thema der Sendung „Lust aufs Leben“ am Sonntag, 2. Juni ab 21.03 Uhr.

Je nach musikalischer Herkunft waren der Jazz, die Klassik, die Folk- und Pop-Musik oder die traditionelle Volksmusik selbst der Ausgangspunkt für neue Entwicklungen. Es war Hubert von Goisern, der die Kraft der Rockmusik mit dem Elan des Landlers versah und den neu entstandenen Musik-Mix mit zeitgemäß kritischen Texten versah.

Nach Südtirol und Schweiz – jetzt Bayern

Was Hubert von Goisern, Attwenger oder die Knödel in Österreich waren und sind, ist das gegenwärtig Herbert Pixner in Südtirol, der da aber ziemlich alleine in unserem südlichen Nachbarland steht. In der Schweiz waren es Künstler wie Töbi Tobler am Hackbrett, Christine Lauterburg als Jodlerin und die Gruppe Pareglish, die die klassische traditionelle Volksmusik auf den Kopf stellten. Im dritten Teil der Reise durch die alpinen Klanglabore geht es nach Bayern.

Nährboden für Streitlust, Freiheitsdrang und Wut

Als Bundesland, in dem über Jahrhunderte die Beamten gegen die Bauern kämpften, war es stets Nährboden für Streitlust, Freiheitsdrang und Wut. Musik war daher immer auch Protest, gerade nach 1968. Volksmusik war, wenn sie überhaupt zu dieser Zeit wahrgenommen wurde, die Musik derer, gegen die man sich auflehnte. So war es mehr als überraschend, als aus Bayern Klänge zu vernehmen waren, die aufhorchen ließen. Konstantin Wecker schreibt 1977 den Song „Willy“, mit dem er schnell bekannt werden würde. Die eigentlichen Wegbereiter einer bayrisch eingefärbten alternativen Volksmusik waren Hans, Christoph und Michael Well mit den „Biermösl Blosn“.

„Volksmusik in schwierigen Zeiten“

Der Regisseur Herbert Achternbusch, der Schriftsteller und Autor Franz Xaver Kroetz, der Schauspieler und Kabarettist Gerhart Polt, sie alle waren politisch äußerst engagiert. Alpenländische Sounds, die Mundart und ländliche Instrumente färbten in der Folge auch auf die Rock- und Popmusik und darüberhinaus ab. Hans Söllner, Georg Ringswandl, Fredl Fesl, die Gruppe „Haindling“ experimentieren mit volksmusikalischen Klängen der Alpen. 1983 nimmt die „Fraunhofer Saitenmusik“, die sich nach einem der ältesten und schönsten Wirtshäuser Münchens nennt, eine Langspielplatte mit dem Titel „Volksmusik in schwierigen Zeiten“ auf.

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands waren Techno-Parties der Renner und die Biermösl Blosn antworteten in der größeren Formation mit dem Namen „Well-Buam“ mit einem Live-Album namens „Boarischer Tanzbodn“. Die eingespielten Lieder sollten ebenso ironisch wie authentisch wirken. Die Musiker waren der Meinung, dass pure Lebenlust darin liegt, wenn die Sparkassenangestellte mit dem Kfz-Lehrling eine Mazurka tanzt.

„Strauß hat uns paar Mal gehört, dann starb er“

Moni, Burgi und Bärbi Well stehen für die weibliche Synthese der traditionellen bayerischen Volksmusik. Noch als Kinder traten sie bei Volksmusikantentreffen und Vereinsfeiern in der Umgebung auf und konnten so bei diversen Dorffesten Bühnenluft schnuppern. Bis ihnen ihr Vater Hermann, der Schullehrer und Chorleiter des Dorfes Günzlhofen, den traditionellen Dreigesang und verschiedene Volksinstrumente lernte. Seit den 80er-Jahren sind sie als „Wellküren“ mehr auf Kabarett- und Kleinkunstbühnen zu sehen und begeistern mit kantigen Klängen und launigen Texten. Zitat der Wellküren: „Der Strauß hat uns ein paar Mal gehört, dann ist er gestorben. An Seehofer arbeiten wir noch!“ Vom Hauptberuf sind die drei Schwestern Erzieherin, Sozialpädagogin und Betriebswirtin.

Fast vierzig Jahre bewegt sich Hans-Jürgen Buchner zwischen Tradition und Moderne. Er zählt zu den eher leisen, obwohl er mit Konservativen, Altmodischem und Stillstand nichts anfangen kann. Er trägt Jeans und T-Shirt statt Tracht, trotzdem schwingt in seiner Musik – sei es der Text oder die Instrumentierung – unverkennbar die Liebe zur Heimat mit. Buchner legt sich das etwas seltsame Pseudonym „Haindling“ Anfang der Achtziger zu, um die Verbundenheit mit dem ländlichen Wallfahrtsort in Bayern auszudrücken. Er selbst beschränkt sich aber nicht nur auf Musik und auf das Töpfern von Keramik, seiner zweiten großen Leidenschaft. Im Laufe der Zeit hat er diverse Fernseh-Produktionen vertont, bei denen er gelegentlich selbst mitspielt. In Österreich ist er äußerst bekannt geworden durch seine Bearbeitungen von Antonio Vivaldis „Die vier Jahreszeiten“, die in den Kriminalromanverfilmungen „Polt“ eingesetzt wurden.

Die Musikerinnen und Musiker reihten sich ein in das vielfältige Spektrum einer jungen Generation bayerischer Volksmusikanten, die sich nicht mehr nur als Traditionspfleger und Bewahrer eines fragwürdigen Reinheitsgebotes verstehen. Sie empfanden die Tradition mehr und mehr als Zwangsjacke, der es sich zu entledigen galt. Die meisten von ihnen waren überdies gut ausgebildete professionelle Künstler. Der „Bairisch Diatonische Jodelwahnsinn“ hatte einen hohen musikalischen und inhaltlich kritischen Anspruch, er löste sich 2002 auf. Das Ensemble „BavaRio“ kombinierte bavarische Landlermelodien und Sambarhythmen aus Rio de Janeiro. „Hundsbuam miserablige“ ist eine All-Bavarian-Formation, die ein bisschen wie „Attwenger light“ klingen.

Die Gruppe „Kofelgschroa“ besteht aus vier Musikern, die sich aus „traditioneller, fideler Volksmusik heraus“ – wie sie selber sagen – zusammengefunden haben. Sie sind unter dem Gipfel des Kofel in Oberammergau aufgewachsen, einem Liebhaberort für Katholiken, an dessen weltberühmten Passionsspielen das ganze Dorf teilnimmt. Zuerst nannten sie sich Kofelmusik, da kam ein Nachbar vorbei und meinte: „Was is des denn für ein Gschroa?“ Ab da nannten sie sich Kofelgschroa. Bei den ehemaligen Straßenmusikern hört man neben Blasmusik auch Punk, Balkanpop und Techno – alles Ausdruck ihrer „schizophrenen Heimatverbundenheit“.

„Geigengroove mit Dreigesang“

Drei Frauen, drei Stimmen zwei Geigen und ein Mann am Kontrabass – das sind „Zwirbeldirn“. Zehn Jahre spielten sie vorwiegend Volksmusik mit kleinen Ausflügen in Pop, Chanson und Blues. Der sympathische Dreier bezeichnet seinen Stil als „Geigengroove mit Dreigesang“ mit leichtem Hang zu abgründigem Humor. Nie respektlos, aber frech zwirbeln sie, indem sie Altes neu und Neues alt klingen lassen. Das Trio bürstet traditionelles Liedgut auch mal gegen den Strich, reißt es aus dem üblichen Volksmusikkontext heraus und konfrontiert es mit amerikanischem Blues, einem portugiesischen Schlaflied oder orientalisch anmutenden Klängen.

Der Akkordeonist Hubert Meixner machte im Jahre 2000 mit seinen Musikerkollegen Urlaub auf Kuba. Dort kommen sie mit einheimischen Musikern in Kontakt, mit denen sie zusammen musizieren. Wieder in Bayern zurück, verwerten sie ihre neuen Erkenntnisse. Sie experimentieren mit unterschiedlichen kubanischen Rhythmen und Stilen und stellen fest, dass sich bayerische und kubanische Musik gut miteinander vertragen. Sie gaben sich den Namen „Die Cubaboarischen“, obwohl sie im oberbayrischen Mangfalltal zuhause sind.

Sowohl die Rhythmen wie auch die Sprache wechseln die sieben Musiker so schnell wie ihre Instrumente. Sind es eben noch Tuba, Posaune, Trompete oder Saxophon, kann es abrupt zu einem Wechsel auf spanische Gitarren und karibische Congas und Bongos kommen. Das volksmusikalische bayrische Element wird dabei nicht komplett verändert und auch nicht mit der kubanischen Volksmusik vermischt.

Hier können Sie die Sendung nachhören:

Michael Huemer; ooe.ORF.at