Urteile nach Verwechslung von Infusionen

Zwei Pflegekräfte des LKH Kirchdorf sind am Donnerstag wegen grob fahrlässiger Tötung bzw. grob fahrlässiger Körperverletzung vor Gericht gestanden. Die Pflegerin wurde freigesprochen, ihr Kollege zu 5.400 Euro verurteilt.

Anfang Oktober 2017 war ein 61-jähriger Herzpatient an Multiorganversagen gestorben, nachdem er Tage zuvor von dem Pfleger Kalzium statt Kalium bekommen hatte. Im zweiten Fall überlebte der Patient Anfang August die Verwechslung. Die Infusionen waren falsch eingeordnet worden, die beiden Angeklagten sollen die Beschriftungen der Medikamente vor der Verwendung nicht überprüft haben.

Vorschriften nicht eingehalten

Wie es überhaupt zu der fehlerhaften Einsortierung gekommen war, konnte laut Staatsanwaltschaft nicht herausgefunden werden, weshalb gegen fünf weitere Pflegekräfte nicht weiter ermittelt wurde. Für das Strafverfahren am Donnerstag spielte dies laut Staatsanwalt Hans-Jörg Rauch aber keine Rolle. Denn die beiden Beschuldigten hätten gegen die „5-R-Regel“ und damit gegen die Sorgfaltspflicht verstoßen: Das richtige Medikament, in der richtigen Dosis, in der richtigen Verabreichung zum richtigen Zeitpunkt für den richtigen Patienten.

Angeklagte und Richterin bei Prozess

fotokerschi.at/Kerschbaummayr

Die Pflegerin wurde freigesprochen, ihr Kollege zu 5.400 Euro verurteilt.

Gleich Punkt eins dieser Vorschrift sei nicht eingehalten worden. Zudem herrschte an beiden Tagen auf der Intensivstation weder Zeitdruck noch Personalmangel, der Fehler wäre „leicht vermeidbar“ gewesen. Aus „Bequemlichkeit“ hätten die Pflegekräfte nicht das Etikett kontrolliert, das mache ihr „Verschulden aus“, führte der Staatsanwalt aus. Daher sah er den Tatbestand der „groben Fahrlässigkeit“ gegeben.

Pflegerin bekannte sich nicht schuldig

Die 58-jährige langjährige Krankenschwester meinte jedoch, dass sie vor dem Verabreichen der Infusion auf das Etikett geschaut habe. Davon gehe sie aus, weil sie das immer mache, erklärte die Angeklagte Richterin Christina Forstner. So bekannte sie sich auch nicht schuldig. Ihr Verteidiger Gerhard Huber hatte den Zusammenhang zwischen der Medikation und den gesundheitlichen Auswirkungen ohnehin infrage gestellt.

Auch der Gutachter kam zu dem Schluss, dass der Patient zwar Kalzium erhalten habe, die bei ihm aufgetretenen gesundheitlichen Folgen seien aber nicht „zwingend auf die Verabreichung von Kalzium zurückzuführen“. Bei dem schwerkranken Mann kam es zu Kammerflimmern, er musste reanimiert werden und überlebte. Bleibende Organschäden wurden nicht festgestellt, so der medizinische Sachverständige. Auch die Richterin sah die Kausalität nicht als erwiesen an und sprach die Frau frei.

Pfleger plädierte auch teilweise schuldig

Der zweite Angeklagte hingegen erklärte sich „teilweise schuldig“ und gab die Verwechslung zu. Ob diese jedoch zum Tod des Herzpatienten geführt habe, könne er nicht beantworten. Nachdem der 61-Jährige über ein Brennen im Mund geklagt hatte, habe er erst an eine allergische Reaktion wegen eines anderen Medikaments gedacht. Nachdem es ihm immer schlechter gegangen sei, habe er mehrmals die Blutgase gemessen. Diese hätten einen erhöhten Kalziumwert ergeben.

Als er eine zweite Kaliuminfusion aus der Lade holte, entdeckte er die Verwechslung. „Ich habe mich mords geärgert“, erklärte er. Eine ganze Schachtel sei falsch eingelagert worden. Er meldete dies sofort, bei dem Patienten sei es in Folge der „externen Kalziumzugabe“ zu einem Nierenversagen gekommen, das dann zu dem Multiorganversagen und zum Tod geführt habe, erläuterte der Sachverständige.

„Mit einem Blick vermeidbar gewesen“

Eine „auffallende und außergewöhnliche Vernachlässigung der Sorgfaltspflicht“ sah der Verteidiger aber nicht. Daher forderte Huber einen Freispruch von der groben Fahrlässigkeit und ein mildes Urteil. Doch die Richterin sprach seinen Mandanten im Sinne der Anklage schuldig, denn der Fehler wäre mit einem „einzigen Blick auf das Etikett leicht vermeidbar“ gewesen.

Wegen der Unbescholtenheit und dem Teilgeständnis des Angeklagten verhängte sie über ihn eine Geldstrafe von 5.400 Euro, die Hälfte davon bedingt mit einer Probezeit von drei Jahren.

Urteile nicht rechtskräftig

Beide Urteile sind nicht rechtskräftig, Staatsanwalt und Verteidiger nahmen sich Bedenkzeit.

Ansprüche außergerichtlich beglichen

Der Spitalsträger, die gespag, hatte nach den Vorfällen umgehend reagiert und die Lieferanten der Arzneien angewiesen, die Kalium-Infusionen nicht mehr in 250-Milliliter-Behältern, sondern in 50-Milliliter-Fläschchen zuzustellen, um Verwechslungsgefahren künftig zu vermeiden. Auch seien alle Ansprüche der Hinterbliebenen des Todesopfers außergerichtlich beglichen worden, so eine gespag-Sprecherin.

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