Kern will „unternehmerischen Staat“

SPÖ-Chef Kanzler Christian Kern hat sich am Mittwoch in seiner Grundsatzrede in Wels für eine grundlegende Veränderung im Land ausgesprochen. Er wolle einen Staat, der „unternehmerisch denkt“ und 200.000 neue Jobs bis 2020.

Kern wolle mindestens fünf Start-up-Cluster schaffen, um damit einen Sprung vorwärts bei der Innovationskraft zu schaffen. Der Bundeskanzler nannte als Beispiel, dass Versicherungen durch staatliche Förderungen dazu gebracht werden sollten, einen Teil ihres Anlagevermögens in solche Unternehmen zu investieren. Kern plädierte zudem für Erleichterungen für Selbstständige bei der Sozialversicherung.

Christian Kern Wels

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Entschuldigung bei Ex-SPÖ-Wählern

Zu Beginn warb Kern um jene Wähler, die in den letzten Jahren von der SPÖ zur FPÖ wechselten. „Nicht ihr habt euren Weg verlassen, sondern wir haben unseren Weg verlassen.“ Die SPÖ habe unbequeme Wahrheiten ignoriert, aber: „Von heute an werden wir unseren Kurs wechseln.“ Und für diese Enttäuschungen entschuldige er sich. Kern plädierte mehrfach für einen starken Zusammenhalt in der Bevölkerung, er lasse sich „keine Spaltung herbeireden“. Das Land sei immer dann stark gewesen, wenn alle zusammengehalten hätten.

Arbeitsprogramm „Plan A“ präsentiert

Vor rund 1.500 Menschen im Saal präsentierte Kern auch sein knapp 150-seitiges Arbeitsprogramm „Plan A“.

Wichtigstes Ziel: Arbeitsplätze

Das große Schlagwort über seinem „Plan A“ ist die Schaffung von Arbeitsplätzen. 200.000 neue Jobs soll es bis 2020 geben - eine Forderung, die er bereits im September im ORF-„Sommergespräch“ erhob. Langfristig müsse es in Österreich wieder Vollbeschäftigung geben, und Menschen müssten von ihrem Einkommen leben können, so Kern.

Die hohe Arbeitslosigkeit koste dem Staat jährlich Milliarden, und raube den Betroffenen die Würde. Allein durch die Energiewende sollen 40.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Universitäten und andere Forschungseinrichtungen müssten stark eingebunden werden.

Beschränkung des Zugangs zum Arbeitsmarkt

Das Arbeitsprogramm beinhaltet auch so manchen Tabubruch. Über die Landesgrenzen hinweg wohl das meiste Aufsehen erregen wird, dass der Kanzler den Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt für Bürger ärmerer EU-Staaten einschränken will.

„Instrument der Arbeitsmarktprüfung“

Die Begründung für diesen - geltenden europäischen Regelungen widersprechenden - Wunsch liest sich folgendermaßen: „Es macht wenig Sinn, an Dogmen festzuhalten, die für die Bürgerinnen und Bürger der EU keinen sichtbaren Vorteil für ihre Lebenswelt bieten.“ Was Kern meint ist, dass Länder wie Österreich unter „enormem Zuzug“ zu leiden hätten, während die Herkunftsländer mit einem „Brain-Drain“ durch die abwanderungswilligen Arbeitskräfte zu kämpfen hätten.

Daher tritt der Kanzler dafür ein, „in Branchen mit besonders hoher Arbeitslosigkeit das Instrument der Arbeitsmarktprüfung“ wieder einzuführen. Das heißt im Klartext: Bürger aus ökonomisch schwachen Ländern, also vor allem aus osteuropäischen Staaten, erhalten nur dann Zugang, wenn sich keine österreichische Arbeitskraft für den Job findet.

Christian Kern Grundsatzrede Wels

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Forderung nach einer Änderung des Stabilitätspakts

An die Adresse Brüssels gerichtet ist auch die Forderung nach einer Änderung des Stabilitätspakts. Öffentliche Investitionen sollen wie bei Unternehmen über längere Zeit abgeschrieben werden können, was die Einhaltung der Maastricht-Kriterien erleichtern würde.

Ebenfalls nicht so ohne ist, was sich der SPÖ-Chef zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Älterer vorstellt. Kern verspricht eine Beschäftigungsgarantie für Über-50-Jährige, die zumindest ein Jahr keinen Job hatten. Sie sollen in sozio-ökonomischen Branchen, etwa in der Pflege, einen nach Kollektivvertrag entlohnten Job erhalten. Freilich bedeutet dies auch, dass sie bei Verweigerung dieser Tätigkeit Einschränkungen beim Arbeitslosengeld zu erwarten hätten.

Thema Arbeitszeitflexibilisierung

Der ÖVP entgegen kommt Kern, was die Arbeitszeitflexibilisierung angeht. Diese soll bei Gleitzeit bis zu zwölf Stunden möglich sein, wenn im Gegenzug längere zusammenhängende Freizeitblöcke ermöglicht werden. Arbeitnehmern will der SPÖ-Chef ein Recht auf Arbeitszeit-Wechsel, also zwischen Teil- und Vollzeit einräumen.

Den Sozialpartnern auf die Füße tritt der Vorsitzende mit seiner Drohung, einen Mindestlohn von 1.500 Euro in allen Branchen notfalls auch über einen Regierungsbeschluss erreichen zu wollen. Dem Sozialminister soll die entsprechende Möglichkeit über eine Satzung gegeben werden.

„Lohntransparenzgesetz“

Geht es nach Kern, soll den Österreichern auch ein Gagenstrip bevorstehen. Mittels eines „Lohntransparenzgesetzes“ sollen die Arbeitgeber verpflichtet werden, die Einkommen ihrer Mitarbeiter im Betrieb offen zu legen. Damit hofft man unter anderem, Diskriminierungen von Frauen zu verhindern. Apropos Frauen: Vorgesehen ist auch, dass in der Privatwirtschaft in Aufsichtsräten eine 40-Prozent-Quote für Frauen eingezogen wird. In einem weiteren Schritt wünscht sich der Kanzler auch noch Quoten für Leitungsfunktionen.

Ein eigenes Steuerkapitel enthält der „Plan A“ nicht, was freilich nicht bedeutet, dass Kern keine Änderungen bei den Abgaben vorhat. Einführen würde er eine Erbschafts- und Schenkungssteuer, die allerdings erst ab einem Freibetrag von einer Million einsetzen würde, womit 97 bis 98 Prozent der Fälle nicht umfasst wären. Aus den Einnahmen würde der SPÖ-Chef eine jährliche Valorisierung des Pflegegelds sowie eine komplette Streichung des Eigen-Pflegeregresses finanzieren.

Thema Wertschöpfungsabgabe

Ebenfalls auf der Agenda Kerns findet sich - wenngleich nur am Rande - die Wertschöpfungsabgabe. Angeregt wird eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage zum Beispiel „auf fossile Energieträger oder andere Wertschöpfungskomponenten, nicht jedoch auf Abschreibungen und Investitionen“. Internationalen Großkonzernen will man über eine Werbeabgabe auf Online-Medien oder eine Strafsteuer für verschobene Gewinne zur Kasse bitten. Zur Stärkung der heimischen Industrie will der Regierungschef über eine verstärkte Einführung von Schutzzöllen diskutieren.

Neu ist die Idee einer Reparaturprämie , die unnötige Neuanschaffungen verhindern soll. Wer zum Beispiel Fahrräder, Schuhe oder Elektrogeräte reparieren lässt, soll bis zu 50 Prozent erstattet bekommen, bis zu 600 Euro pro Person und Jahr. Bauleistungen und Kfz-Reparaturen wären ausgenommen.

Senkung der Lohnnebenkosten

Der Wirtschaft entgegenkommen möchte Kern über eine weitere Senkung der Lohnnebenkosten. Konkret soll der Beitrag zum Familienlastenausgleichsfonds auf die Hälfte gesenkt werden. Mut zum Unternehmertum soll auch über eine Reform des Konkursrechts gemacht werden. Bei Privatkonkursen soll etwa die Mindestquote (derzeit sind zehn Prozent der angehäuften Schulden aus eigener Kraft zu tilgen) entfallen.

Der Vereinfachung dienen soll eine einheitliche Rechtsordnung für Unternehmen. „Überdenken“ will Kern den Gebietsschutz bei Apotheken und Notaren. Sparwillen zeigt er mit dem Vorhaben, die gesamtstaatlichen Verwaltungskosten einzufrieren. Zudem plädiert der SPÖ-Chef dafür, alle Gesetze zu befristen, damit überholte Regelungen nicht extra in einem mühsamen Prozess wieder abgeschafft werden müssen.

Thema Mietrecht

Auf bekannte SPÖ-Forderungen setzt Kern im Mietrecht. Er verlangt etwa eine gesetzliche Obergrenze für Zuschläge sowie eine Senkung der Betriebskosten, letzteres über den Hebel, dass Grundsteuer und Verwaltungskosten nicht mehr auf Mieter übergewälzt werden dürfen. Bei der Wohnbauförderung soll als Bedingung eine energieeffiziente Bauweise etabliert werden. Setzen will Kern auf Ökostrom. Die geförderte Menge soll bis 2030 um 260 Prozent steigen.