95,8 Prozent: Gerstorfer zur Vorsitzenden gewählt

Beim außerordentlichen Landesparteitag der Sozialdemokraten in Marchtrenk (Bezirk Wels-Land) ist Birgit Gerstorfer mit 95,8 Prozent zur neuen Vorsitzenden der SPÖ Oberösterreich gewählt worden.

Gerstorfer gab in ihrer Rede „eine neue Marke SPÖ“ und „Verhandeln und Verbinden anstatt Streit“ als Ziele aus.

Bei der nächsten Nationalratswahl nehme sie sich „auf jeden Fall vor, Erste zu werden“. Für sie sei der Tag nach der Bundespräsidentenstichwahl der Zeitpunkt gewesen, zu dem sie sich entschieden habe, die Aufgabe an der SPÖ-Spitze wirklich übernehmen zu wollen, sagte sie.

Birgit Gerstorfer

SPÖ Oberösterreich/Schwarzl

Gerstorfer steckt sich die Ziele hoch

Als sie gesehen habe, dass in Oberösterreich 52 Prozent Alexander Van der Bellen gewählt hatten, sei ihr klar geworden, „dass es ganz viele rote Herzen gibt“, dass Potenzial da sei für die SPÖ.

Abstiegsängste und Sorgen

Es gebe Menschen in Österreich, die Abstiegsängste hätten, die Sorge, „dass andere - vielleicht Fremde - ihnen etwas wegnehmen“, so Gerstorfer. „Manche haben Angst, die sich in Abwehr und Hass outet. Wir brauchen aber alles andere als hasserfülltes Zusammenleben.“

Gerstorfer pochte darauf, dass Asylwerber einen gesteuerten Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen. Das wäre für das Land „ein Geschäft“ und „für die Leute eine ganz tolle Sache“.

Vertrauen der Jungen gewinnen

Es sei für sie ein Auftrag, „Vertrauen wachsen zu lassen“, vor allem bei den jungen Menschen, sagte Gerstorfer. Man müsse Sicherheit vermitteln, „aber nicht im Sinne eines Polizeistaats“, sondern indem Bildung, Gesundheitsversorgung, Pensionen etc. sicher seien, Wohnen finanzierbar sei, Arbeitslosigkeit nicht noch mehr wachse.

Birgit Gerstorfer

APA/Hannes Draxler

Auftrag, „Vertrauen wachsen zu lassen“

Die SPÖ müsse den Menschen klarmachen, warum sie Rot wählen sollen „und nicht, wieso sie andere nicht wählen sollen“. Es brauche eine „neue Marke SPÖ“.

Landesparteitag der SPOÖ

SPÖ OÖ

Der außerordentliche Parteitag der SPÖ Oberösterreich in Marchtrenk

Anschluss verloren

Neuen Schwung hat auch der neue Kanzler und Parteivorsitzende, Christian Kern, in die Partei gebracht. Dabei waren auch seine Botschaften in Marchtrenk von Selbstkritik an der eigenen Partei dominiert.

Christian Kern beim Landesparteitag der SPOÖ

SPÖ OÖ

Leise Selbstkritik von Kern

Sozialdemokratische Parteien hätten in den vergangenen Jahren ziemlich viel von ihrem Profil verloren: „Wir haben den Anschluss an gesellschaftliche Entwicklungen verloren. Wir haben die Hoheit über die politischen Diskussionen verloren, weil wir keine klaren Ideen mehr präsentieren konnten.“

Die Folge sei gewesen, dass die Sozialdemokraten keine Wahlen mehr gewonnen hätten und ihnen viele nicht mehr zugetraut hätten, dass die Sozialdemokratie die Kraft sei, die Veränderungen zum Besseren bewirken könne, so Kern.

Christian Kern

APA/Hannes Draxler

Kern glaubt an den Bestand der Koalition

Kritik am Koalitionspartner

Kern verteidigte in seiner Rede auch die Idee einer Wertschöpfungsabgabe, die keineswegs nur eine Maschinensteuer sei. Die Kritik von vielen aus der ÖVP sei für ihn auch eine Erkenntnis gewesen. Nämlich, dass es offenbar nicht nur einen gibt, der sich „wie ein Selbstmordattentäter in einer Telefonzelle benimmt“. Die Sache werde auch nicht besser, „wenn man in einem Achterboot rudert und ein Teil der Truppe ein Loch in den Boden hackt“, sagte Kern in seiner Rede in Marchtrenk. Trotzdem geht der SPÖ-Vorsitzende von einem Bestand der Koalition bis 2018 aus.

Den roten Wählerschwund in Richtung FPÖ will Kern rückgängig machen: Die Präsidentschaftswahl habe gezeigt, dass die Wähler mobiler werden. Das könne man auch nutzen. „Wir werden die 2,2 Millionen Hofer-Wähler nicht in eine rechtsradikale Ecke drängen, wir werden sie nicht der FPÖ überlassen. Da sind unsere Leute zu einem guten Teil auch dabei, und die wollen wir wieder zurückholen.“ Er kenne ohnehin keinen einzigen Vorschlag der Freiheitlichen, der umsetzbar sei. „Die können es einfach nicht.“

Christian Kern und Birgit Gerstorfer

SPÖ Oberösterreich/Schwarzl

Christian Kern, Birgit Gerstorfer und Reinhold Entholzer

Neben Gerstorfer als Landesvorsitzende wurden auch ihre Stellvertreter gewählt. Klubchef Christian Makor, Frauen-Chefin Sabine Promberger, Sozialminister Alois Stöger, FSG-Landeschef Andreas Stangl und die Dritte Landtagspräsidentin Gerda Weichsler-Hauer erhielten Anteile zwischen 88,55 und 97,33 Prozent. Stöger bekam 96,56 Prozent. Eine weitere Personalentscheidung steht noch aus: Die künftige Landesgeschäftsführung wurde ausgeschrieben.

Ausgerechnet Marchtrenk

Marchtrenk wurde übrigens nicht zufällig für den Parteitag ausgewählt, immerhin sei es die „letzte Stadt mit SPÖ-Absoluter im Gemeinderat“ in Oberösterreich, so Gastgeber und Bürgermeister Paul Mahr.

Zweiter Parteitag innerhalb eines halben Jahres

Es war bereits der zweite Parteitag der SPÖ Oberösterreich innerhalb eines halben Jahres. Beim Parteitag im Jänner warf der damalige Parteichef Reinhold Entholzer am Vorabend das Handtuch - unter anderem nach heftiger Kritik vom Linzer SPÖ Bürgermeister Klaus Luger. Der folgende Parteitag im Linzer Design Center ging dann reichlich chaotisch über die Bühne - mehr dazu in Neuer SPÖ-Chef: Kalliauer statt Entholzer.

Parteichefin und Landesrätin

Gerstorfer übernimmt die Partei von Arbeiterkammer-Präsident Johann Kalliauer, der nach dem überraschenden Abgang von Reinhold Entholzer die Parteileitung vorübergehend übernommen hatte. Gerstorfer soll auch Landesrätin werden und das Sozialressort übernehmen.

Reinhold Entholzer

SPÖ Oberösterreich/Schwarzl

Reinhold Entholzer winkt zum Abschied

In Zukunft soll sie sich auch um die Frauenangelegenheiten in Oberösterreich kümmern, da sie die einzige Frau in der Landesregierung sein wird - mehr dazu in Gerstorfer dürfte Frauenressort bekommen.

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