Neuer Diözesanbischof im Interview

Diözesanbischof Manfred Scheuer wird am 17. Jänner sein Amt in Linz übernehmen. In den vergangenen zwölf Jahren leitete er die Diözese Innsbruck, von der er sich „nicht leicht trennt“. Nicht zuletzt wegen seiner bergsteigerischen Passion.

Bischof Scheuer sieht die katholische Kirche heute in Bewegung, er will Religion als wesentlichen kulturellen Beitrag verstanden wissen, und er verlangt umgekehrt auch mehr Sinn der Kirche für die Kunst. In der Integration, die der europäischen Gesellschaft ins Haus steht, glaubt er vor allem an die Praxis konkreter Begegnung. ORF-OÖ-Chefredakteur Johannes Jetschgo hat mit Bischof Scheuer gesprochen.

„Bin nicht mein eigener Wunschkandidat“

Für Bischof Manfred Scheuer ist der Weg nach Linz auch ein Weg des Gehorsams gegenüber seiner Kirche, wie er unumwunden feststellte: „Ich bin nicht mein eigener Wunschkandidat für Linz, aber das Leben ist kein Wunschkonzert. Grundsätzlich denke ich, dass eine gewisse Verfügbarkeit bzw. auch Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen, schon zur priesterlich-bischöflichen Berufung gehört.“

„Zwischenmenschliches wird wichtiger“

Scheuer ist Universitätslehrer, er lässt aber keinen Zweifel daran, dass bei konkreten Aufgaben, die in der Gesellschaft heute anstehen, etwa der Integration, das Zwischenmenschliche als geübte Praxis wichtiger wird: „Wenn ich zum Beispiel das Miteinander der Religionen anschaue oder das tägliche, gemeinsame Frühstück. Das bringt viel mehr, als ein rationaler Diskurs. Zunächst darf man sich nicht erwarten, dass bestimmte demokratische Prozesse, die bei uns ja auch Jahrzehnte oder Jahrhunderte mit teils schmerzlichen Lernprozessen gedauert haben, auf der anderen Seite im Ho-Ruck-Verfahren geht. Insbesondere braucht es hier Geduld und die Beharrlichkeit, dran zu bleiben. In dem Sinne dürfen bestimmte Voraussetzungen des Rechtsstaates oder auch der Verfassung nicht zur Disposition gestellt werden.“

„Werte-Diskussion nicht ohne Religion“

Scheuer betont allerdings auch, dass die derzeitige Diskussion der Werte Europas nicht ohne Religion stattfinden sollte. Wo er die Religion stärker hineinreklamieren will? Scheuer: „In den Bildungs- und auch in den Kulturkanon, würde ich sagen. In den Erziehungsbereich, aber nicht nur im Sinne des schulischen. Im Bereich der Kindergärten würde ich das durchaus auch massiv sagen. Da gibt es ja die Diskussion, welchen Stellenwert die Religion hat, und ob Religion zum Beispiel zu den Erziehungszielen dazugehört, oder nicht. Das ist zurzeit oft heftig umstritten und manchmal umkämpft. Wir haben uns hier als Kirche auch einzubringen. Wir sind da auch Staatsbürger.“

Gelebter Pluralismus in der Kirche

Allerdings sieht Bischof Scheuer in der Kirche selbst längst einen gelebten Pluralismus: „Ich glaube, die gegenwärtige Kirche ist auch schon eine Gleichzeitigkeit von vielen, sehr unterschiedlichen Sozialformen des Lebens und des Glaubens. Zum Beispiel: Manche sagen der Pilger, der Vagabund, also jene die suchen. Jene, die zum Beispiel im Bereich von Kultur und Schönheit anschlussfähig sind, würde ich jetzt überhaupt nicht auf die Seite schieben. Denn gerade im Bereich von Musik oder Kunst gibt es ein starkes Gespür oder Sensorium für das Spirituelle.“

Vielstimmigkeit und Offenheit, aber nicht Beliebigkeit: Manfred Scheuer ist ein Bischof, der abwägt, der – ein intellektuelles Merkmal – die Diskussion in Gang hält, offen für Fragen und Einwände, beweglich und trotzdem beharrlich das Ziel vor Augen: Er ist erwiesenermaßen Bergsteiger.

„Wider den kirchlichen Narzissmus“

In seinem aktuellen Buch „Wider den kirchlichen Narzissmus: Ein spirituell-politisches Plädoyer“ bezieht der künftige Bischof auch Position zu gesellschaftlichen Herausforderungen wie aktuell zur Flüchtlingskrise.