Nach Hamburg, um im Dialekt zu singen

Wenn in einer Kirche gleich mehrere Sorten Wein, Bier und Wurstsalat verteilt werden und die Messe in zwei Teilen und in Mundart abgehalten wird, handelt es sich nicht nur um eine besondere Kirche.

In Ernsthofen, nur ein paar Steinwürfe von der oberösterreichisch-niederösterreichischen Grenze und Steyr entfernt, steht die Kulturkirche Kanning. Dort nutzt der örtliche Kulturverein den Raum zwischen den alten Kirchenmauern, um Lesungen und Konzerte zu veranstalten. Die Sängerin Sabine Stieger ist dort geboren aber nie in ihrer Heimat aufgetreten. Und so ist das Konzert am Freitag auch für sie ein ganz besonderes.

Sabine Stieger singt in der Kulturkirche Kanning

Loucaz Steinherr

Die Kirche ist bis auf den letzten Platz gefüllt - ein Bild, das sich hier nur bei besonderen Kulturveranstaltungen bietet. In der Sakristei stehen Heiligenfiguren und Kerzenleuchter zwischen dicken Kabeln und großen Mischpulten. Die sakralen Requisiten kommen ebenso wenig zum Einsatz, wie die Gesangsbücher oder die alte Kirchenorgel.

Der große Klangraum macht es gerade den schnellen Stücken etwas schwer, verstanden zu werden. Doch Sabine Stieger findet schnell den Draht zum Publikum. Im zweiten Teil des Konzerts sind die pointierten Texte dann auch wesentlich besser zu verstehen - früher wurde der Pfarrer schließlich auch nicht von vier Musikern unterstützt.

Internationale Musikluft führte zum Dialektalbum

Die Geschichten über ihre Herkunft wirken - vorgetragen in ihrer Heimatgemeinde - wie ein kleiner Blick hinter die Kulissen der Konzerte, die Sabine in Deutschland und dem restlichen Österreich gibt. So nimmt sie das Publikum mit auf eine private musikalische Reise, die ihren Ursprung in Hamburg genommen hat.

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Sabine Stieger im Interview über die Texte von Sabinschky

„Ich bin bewusst nach Hamburg gegangen - aus musikalischen Gründen“, erzählt Sabine im Interview, „und wollte internationale Luft schnuppern.“ Das erste, das ihr gefehlt habe, sei die österreichische Sprache gewesen. Also ein Teil ihrer Identität, den sie ablegen musste, um dort verstanden zu werden. Das war der Auslöser, sich mit den sprachlichen Feinheiten („Servus, Tschüss und Baba“) auseinanderzusetzen und zugleich der Grundstein für das Album „Sabinschky“.

Sabine Stieger singt in der Kulturkirche Kanning

Loucaz Steinherr

Auf der Suche nach dem passenden Sound zum Dialekt hat Sabine Stieger nach anderen Sprachen gesucht, die im Rhythmus dem oberösterreichischen Dialekt ähneln. Bei den französischen Chansons ist sie dann „hängen geblieben, weil die reden auch so wahnsinnig schnell - das ist auch so etwas zwischen Sprechgesang und Singen“, schwärmt sie. Schon während ihrer Zeit als Sängerin bei Global Kryner habe sie die stilistische Freiheit sehr genossen, die sie auch auf ihrem aktuellen Album auslebt.

Sabine Stieger singt in der Kulturkirche Kanning

Loucaz Steinherr

Wie wichtig Umgangsformen sind und wie geprägt Sabine damit in ihrer Kindheit wurde, stellt sie gleich zu Beginn ihres zweiteiligen Konzerts klar. Dass nicht alle Umgangsformen überall so hingenommen werden, wie daheim, hat sie in „Bitte, danke“ verarbeitet. „Weil mir das überhaupt nicht bewusst war, dass das bitte-danke so etwas speziell Österreichisches ist“, erzählt die Sängerin. Bei der Bestellung bei einem deutschen Kellner habe sie ein typisches „bitte, danke“ angehängt - und somit gleich die Diskussion unter ihren deutschen Freunden angeregt.

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Sabine Stieger über österreichische Höflichkeitsfloskeln

Sabine Stieger singt in der Kulturkirche Kanning

Loucaz Steinherr

Dabei sei ihr auch das typische „Leben im Konjunktiv“ bewusst geworden: „Dieses kunntas’d ned, warad’s ned möglich ... und diese Doppel- und Dreifachverneinungen, die letztlich einfach nur Ja bedeuten“, amüsieren sie seither sehr.

Das Resumée des Abends muss allerdings nicht im Konjunktiv verklausuliert werden - schön war’s und die Textstellen, die der Kirchenhall am Anfang etwas verschluckt hat, lassen sich auf der CD wunderbar nachhören.

Loucaz Steinherr, ooe.ORF.at

LINK:
- Sabine Stieger - Geh Bitte! (Youtube)
- Sabine Stieger Homepage
- Kulturkirche Kanning