Zeitgeschichte: Zwangsarbeit in Oberdonau

Am Sonntag, 19.4. ab 21.03 Uhr, widmet sich Michael Huemer in der Sendung „Schwerpunkt Oberösterreichische Zeitgeschichte“ den Zwangsarbeitern, die in den Jahren 1938 bis 1945 in den Hermann Göring-Werken in Oberdonau eingesetzt wurden.

Im Erdgeschoss des Direktionsgebäudes der voestalpine, im „Blauen Turm“, wurde im vergangenen Oktober ein neues „Zeitgeschichte Museum“ eröffnet. Dort wurde eine Dauerausstellung installiert, die öffentlich zugänglich ist und sich den Zwangsarbeitern widmet, die in den Jahren 1938 bis 1945 in den Hermann Göring-Werken eingesetzt wurden.

Zwangsarbeit in Oberdonau

voestalpine Stahlwelt GmbH/Lentia Verlag

Dauerausstellung im „Blauen Turm“

Die Hermann Göring-Werke waren die Vorgänger der jetzigen voestalpine. Die Basis der Ausstellung bilden Interviews, die der Soziologe Karl Fallend Ende der 1990er-Jahre beziehungsweise Anfang der 2000er-Jahre mit ehemaligen Zwangsarbeitern geführt hat.

St. Peter und Zizlau wurden abgesiedelt

Am Anfang der Geschichte der Linzer Zwangsarbeiter stand die Errichtung der Hermann-Göring-Werke, benannt nach dem Generalfeldmarschall und ranghöchsten Offizier der Wehrmacht. Göring nimmt am 13. Mai 1938, wenige Wochen nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich, den Spatenstich vor. Für das 700 Hektar große Werksgelände wurden die beiden Ortschaften St. Peter und Zizlau abgesiedelt.

Freiwillige waren trotz Anwerbung nicht zu finden

Aufgrund der Größe des Unternehmens und dadurch, dass die einheimische Bevölkerung für den Krieg rekrutiert wurde, litten die Göring-Werke von Beginn an unter Arbeitskräftemangel. Freiwillige waren trotz Anwerbung nicht zu finden. Der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz in der NSDAP, der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, Fritz Sauckel, begann daher, Zwangsarbeiter ins Land zu bringen. Später wurden sie durch Kriegsgefangene und ausländische Zivilarbeiter ergänzt.

Sendungshinweis

„Schwerpunkt Oberösterreichische Zeitgeschichte“, 19.4.15

Mit Oberdonau ist das Gebiet Oberösterreich samt dem steirischen Salzkammergut und den südböhmischen Bezirken Kaplitz und Krumau gemeint. Der künstliche Begriff „Oberdonau“ wurde anstelle von Oberösterreich eingeführt, um das Wort „Österreich“ aus der Alltagssprache zu tilgen. In der NS-Propaganda wurde der Reichsgau Oberdonau zum „Heimatgau des Führers“ stilisiert.

Zwangsarbeit in Oberdonau

voestalpine Stahlwelt GmbH/Lentia Verlag

Zwangsarbeiter marschieren von der Glimpfingerstraße zu den Wohnlagern am Bindermichl

Polen standen in Hierarchie ganz unten

Die Zwangsarbeiter in Linz wurden nach nationalsozialistischer Rassenideologie und nach Herkunftsland behandelt. In einer hierarchischen Ordnung standen Polen und Arbeiter aus dem Osten ganz unten. Ihnen wurden die niedrigsten Löhne bezahlt, sie erhielten am wenigsten Verpflegung und nur eingeschränkte Freiheiten in der Freizeitgestaltung. Etwas besser wurden die Tschechen behandelt. In der Frühphase der Ausländerbeschäftigung von 1938 bis 1940 fehlte im Wesentlichen der Zwangscharakter. Es waren vor allem Tschechen, Slowaken, Bulgaren und Italiener, die sich durch einen höheren Lohn anlocken ließen und in den Dienst der Reichswerke traten. Die Ersten kamen am 3. August 1938 auf der Baustelle an.

Ende 1939 waren von rund 10.000 Arbeitern und Arbeiterinnen etwa 6.900 ausländischer Herkunft. Wenig später, im Jahre 1940, begann bei zunehmendem Zwangscharakter die „heiße Phase“ der Rekrutierung. Man unterscheidet dabei grundsätzlich zwischen vier „Klassen“: Den Ausländern aus verbündeten und neutralen Ländern wie Italien, Rumänien, jene aus den besetzten Ländern Westeuropas wie Niederlande und Frankreich, den Ausländern aus besetzten oder zerschlagenen Ländern wie Polen und als vierte Gruppe die Kriegsgefangenen. Ab 1941 kamen Zwangsrekrutierte und Kriegsgefangene aus der Sowjetunion hinzu. Ihnen sollten später noch die Häftlinge der KZ-Außenlager folgen.

Zwangsarbeit in Oberdonau

voestalpine Stahlwelt GmbH/Lentia Verlag

Ankommende Zwangsarbeiterinnen der Hermann-Göring-Werke auf dem Weg ins Wohnlager 44 in Niedernhart. Im Hintergrund ist der Wohnblock „Am Bindermichl-Stadlerstraße“ zu sehen

Keine beschönigende Darstellung

Überblickt man den Einsatz von Zwangsarbeit von 1938 bis 1945, fallen auf den ersten Blick die Parallelen zur politischen Lage auf. Je angespannter sich die Kriegslage entwickelte, desto radikaler und konsequenter wurden die Behandlungsmethoden in Richtung Ausgrenzung, Überwachung und Unterordnung bis hin zur regelrechten Sklavenarbeit.

Nach dem Kriegsende versuchten viele ehemalige Zwangsarbeiter auf eigene Faust in ihre Heimatländer zurückzukehren. Andere warteten als „Displaced Persons“ auf einen Weitertransport. Für die meisten osteuropäischen Arbeitskräfte war der Leidensweg aber nicht zu Ende. In ihrer kommunistischen Heimat warf man ihnen Kollaboration mit Deutschland vor. Sie lebten und leben noch heute zum Teil als „Ausgestoßene“ am Rande der Gesellschaft.

Es soll ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass es sich nicht um eine beschönigende Darstellung der damaligen Ereignisse in diesem Radio-Feature handelt.

Hier können Sie die Sendung nachhören:

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Michael Huemer; ooe.ORF.at