Howdy Mister Schellack in „Lust aufs Leben“

Zum Jubiläum „90 Jahre Radio in Österreich“ widmet Radio Oberösterreich Günther Schifter, dem „Mister Schellack“ eine ganz besondere Sendung am Sonntagabend, dem 12. Oktober, aber 21.03 Uhr.

Sendungshinweis

„Lust aufs Leben“, 12.10.2014

Am 1. Oktober 1924 nahm die RAVAG, die Österreichische Radio-Verkehrs-AG den offiziellen Sendebetrieb auf. Schlag vier Uhr nachmittag grammelte es zum ersten Mal offiziell bei 11.000 Detektorempfängern, die eine Empfangslizenz besaßen. Die Ouvertüre zu der Oper „Rienzi“ von Richard Wagner hatte eine neue Ära eingeleitet – die des Radios in Österreich.

90 Jahre hat der Hörfunk in Österreich damit auf dem Buckel, ein Jubiläum, an das in „Lust aufs Leben“ bereits mehrmals durch Ausstrahlungen legendärer Radioproduktionen mit Rundfunkpionieren der ersten Stunde erinnert wurde. Darunter waren zuletzt die satirische Kabarettsendung „Der Guglhupf“, der immerhin 31 Jahre lang zu hören war, die Jazzsendung „Vokal – Instrumental – International“ mit Walter Richard Langer und einer Laufzeit von 20 Jahren oder „Was gibt es Neues“ mit Heinz Conrads, das doppelt so lang, also 40 Jahre im ORF-Programm lief. Spitzenreiter ist und wird es immer bleiben „Autofahrer Unterwegs“, das insgesamt 42 Jahre lang ausgestrahlt wurde.

Günther Schifter

APA/Kelly Schöbitz

Man erkennt ihn eindeutig und sofort an seiner markanten Stimme: Günther Schifter. Er stammte aus einer geadelten Offiziersfamilie, die es in der Zwischenkriegszeit zu einem bescheidenen bürgerlichen Wohlstand brachte. Schon bald zeichnet sich die Begeisterung des Buben für Jazz und Swing ab. Nach eigenen Angaben konnte Günther Schifter bereits im zarten Alter von vier Jahren „Armstrong“ und „Ellington“ schreiben. Er wünschte sich zu Anlässen wie Weihnachten und Geburtstag vor allem Schellacks. Seine Sammlung begann zu wachsen und bot ausreichend Gelegenheit zum Musikhören wie auch das Radiogerät in der elterlichen Wohnung. In den 20er- und 30er-Jahren wurde die Musik im Radio meistens live gespielt, aber man konnte in Wien auch an öffentlichen Orten Musik hören. Die Plattengeschäfte übertrugen Schellacks auf die Straße, um damit Kunden anzulocken.

Widerstand gegen das NS-Regime

Die Machtübernahme Österreichs durch die Nationalsozialisten 1938 bedeutete eine einschneidende Zäsur im Leben von Günther Schifter. Sein Vater wird verhaftet und, als politisch unzuverlässig eingestuft, zwangspensioniert. Die Jahre von 1939 bis 1945 sind für Günther Schifter gekennzeichnet durch seinen Widerstand gegen das NS-Regime. Allein sein Interesse an der englischsprachigen Welt und die ungebrochene Leidenschaft für Jazz und Swing waren Zeichen seiner Gegnerschaft. Die Nationalsozialen stuften Jazz- und Swingmusik als „entartet“ ein.

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Nach der Matura wurde Schifter zur Wehrmacht eingezogen, nach vier Monaten als untauglich entlassen. Er wird stattdessen zum Arbeitsdienst verdonnert und Schifter gelingt es, der Firma Schrack, die Radiogeräte herstellte, zugewiesen zu werden. Das ermöglichte ihm, durch heimliches Hören von „Feindsendern“ weiterhin auf dem Laufenden zu bleiben. Obwohl der Jazz von den nationalsozialistischen Machthabern verfolgt wird, wird er weiterhin gespielt. Die Bands versahen die amerikanischen Nummern entweder mit deutschen Texten und brachten sie so an das Publikum. Oder es wurden Schellacks nach wie vor unter der Hand verkauft.

Mit dem Ende der NS-Herrschaft wird Österreich in vier Besatzungszonen geteilt. Die neuen Besatzer bringen natürlich ihre Kultur, ihre Musik und ihre Ideologie ins Land. Für Liebhaber von Jazz und Swing waren vor allem die amerikanischen Sender interessant. Das war „Blue Danube Network“ als Sender für die Besatzungssoldaten und „Rot-Weiß-Rot“ als Sender für die österreichische Zivilbevölkerung.

1967 wurde in Österreich mit der Einführung des Senders Ö3 eine jüngere und modernere Programmschiene mit neuen Sendeformaten wie beispielsweise die „Musicbox“, „Schlager für Fortgeschrittene“, „Der Schalldämpfer“ geschaffen.

„Hallihallo, meine sehr verehrten Damen und Herren“

Günther Schifter summte zu Beginn jeder Sendung ein paar Takte der Kennmelodie, dann folgte ein nonchalantes „Hallihallo, meine sehr verehrten Damen und Herren“. Danach kamen Auskünfte über die Geburtstagskinder unter den Jazzern. Schifter swingte und erzählte in seinem unnachahmlichen Timbre „Nachrichten von damals“. Diese reichten von politischen Ereignissen über Kinoprogramme und Sportnachrichten bis hin zu launigen Geschichten vom Tagesgeschehen jener Zeit. Schifters Radioprogramme, die mit großem Detailwissen gestaltet waren, boten nicht nur kurzweilige und unterhaltsam gestaltete Geschichtsstunden sondern auch musikalische Raritäten für Jazz- und Swingbegeisterte. Seine Sendungen rissen das Publikum mit, weil sie voll ansteckender Begeisterung und positivem Lebensgefühl waren. Einen weiteren Aspekt der amerikanischen Musik interessierte Günther Schifter: die Country- und Westernmusik. Sie brachte er in den 70er-Jahren mit seinem „Western Saloon“ auf Ö3 einer breiteren Zuhörerschaft näher. Der „Western Saloon“ war dann auch in Folge das Vorbild für eine gleichnamige Fernsehsendung und in dieser Zeit erhielt Günther Schifter auch seinen Spitznamen „Howdy“.

In den 1980er-Jahren wurde „Music Hall“ nicht nur auf Ö3 gespielt, sondern auch auf die Regionalprogramme des ORF durchgeschaltet. Sie erhielt dort einen neuen Titel, nämlich „Günther Schifters Schellacks“, ohne dass das bewährte Konzept wesentlich geändert wurde. Verschiedene Programmreformen im ORF bedeuteten dann das Ende dieser Sendung, zuerst auf Ö3 und dann auch in den Regionalradios. Das passierte im Jahr 1999. Seine Plattensammlung mit über 30.000 Schellacks übergab er noch zu Lebzeiten der Österreichischen Mediathek.

Michael Huemer