Missstände in Jugendheimen

Nachdem Schicksale ehemaliger Heimkinder bekannt geworden waren, hat die Volksanwaltschaft im Vorjahr 84 Einrichtungen der Jugendwohlfahrt kontrolliert und Missstände aufgedeckt. Vor allem in einem Heim in Oberösterreich - zumindest bis vor kurzem.

Die österreichischen Bundesländer haben in den vergangenen Jahren an weit über tausend ehemalige Heimkinder Entschädigungen gezahlt, weil sie in Heimen Opfer von physischer, psychischer und sexueller Gewalt geworden sind. Die Untersuchungen der Volksanwaltschaft ergaben, dass es immer noch zu wenig Schutz vor Gewalt unter den Kindern und inakzeptable Strafen für Fehlverhalten gebe.

Menschenrechtswidrige Zustände

Die meisten befragten Kinder sagen, dass sie sich in ihrer Wohngemeinschaft oder ihrem Heim wohl fühlen, heißt es im Jahresbericht der Volksanwaltschaft. Aber in manchen Einrichtungen gebe es menschenrechtswidrige Zustände und Strafen. Zitat: „Das Streichen von Kontakten zur Herkunftsfamilie und Gruppenstrafen nach Regelverstößen erachtet die Volksanwaltschaft in menschenrechtlicher Hinsicht als nicht akzeptabel.“

Kontakt zu Eltern gestrichen

Demnach sind ganze Kindergruppen bestraft worden, weil einer etwas angestellt hat. Dadurch wird aber der eine voll dem Zorn der Gruppe ausgesetzt. Und in manchen Einrichtungen werden Elternbesuche und auch das Telefonieren mit den Eltern gestrichen, wenn ein Kind etwas angestellt hat. Eine so dramatische Maßnahme wäre aus Sicht der Volksanwaltschaft aber nur gerechtfertigt, wenn durch den Elternbesuch das Kindeswohl gefährdet wäre.

„Untragbare Zustände“ in Oberösterreich

Speziell in einem Heim in Oberösterreich ortet die Volksanwaltschaft „untragbare Zustände“. Dazu heißt es wörtlich in dem Bericht: „Eine Strafe war die Suspendierung von Jugendlichen vom Gelände eines Jugendwohnheimes über mehrere Tage, was die Volksanwaltschaft als massive Verletzung der Aufsichtspflicht qualifiziert.“

Offenbar sind Jugendliche, die gezündelt hatten, in einer Notschlafstelle angemeldet worden und durften vorübergehend nicht im Heim schlafen.

Mangelhafte Fürsorge

In dem oberösterreichischen Heim ortet die Volksanwaltschaft überhaupt das Fehlen von fürsorglicher Pädagogik - nicht zuletzt aufgrund von Personalmangel. Außerdem gebe es dort mangelhaften Schutz vor Gewalt unter Jugendlichen.

Denn - wie in anderen Einrichtungen auch - gebe es nicht genügend Schulungen des Personals zur Gewaltverhinderung und Deeskalation. Dazu kommt: Manche Jugendliche gehen im Heim zur Schule und dürften kaum Kontakte nach außen haben, wo sie auf Probleme hinweisen könnten.

Zitat: „Schulen und Werkstätten am Gelände von Wohnheimen in Tirol, Oberösterreich und der Steiermark können eine Chance für Minderjährige sein, die als „unbeschulbar“ gelten. Aber diese abgeschlossenen Systeme waren in den 60er und 70er Jahren potenzieller Nährboden für Gewalt und Missbrauch.“

Kritikpunkte werden umgesetzt

In einem Projekt des Landes Oberösterreich und der Volksanwaltschaft wird nun an landesweiten Verbesserungen gearbeitet. Um Fortschritte nicht zu gefährden, hat die Volksanwaltschaft ersucht, den Namen des Heimes nicht zu nennen.

Gruppengröße gesenkt

Die kritisierten Strafen sollen dort mittlerweile schon abgeschafft sein, und die Gruppengröße wurde laut Volksanwaltschaft gesenkt: Fünf Erzieherinnen und Erzieher sind nun für die Rund-um-die-Uhr-Betreuung einer Gruppe mit neun schwierigen, psychisch-belasteten Jugendlichen zuständig.

In anderen Bundesländern können noch viel größere Gruppen genehmigt werden - mit bis zu 16 Kindern im Burgenland. Mehr als zehn Kinder in einer Familien-Wohngruppe entsprechen aus Sicht der Volksanwaltschaft aber nicht den zeitgemäßen Standards.