Klagen an Realitätsferne der Kirche

Auch in der Diözese Linz haben die Teilnehmer an der Vatikan-Umfrage klar und deutlich geantwortet: Kritisiert werden unter anderem Abgehobenheit und Realitätsferne.

Die kirchliche Lehre in der Frage der wiederverheirateten Geschiedenen wird als „unbarmherzig“ und der Ausschluss von den Sakramenten sogar als „unchristlich“ gesehen. Die Ergebnisse wurden am Dienstag in einer Pressekonferenz präsentiert.

Nur 276 Antworten

Lediglich 276 Antworten sind bei der Diözese Linz eingegangen. 187 davon kamen von Einzelpersonen, 60 von pfarrlichen Gruppen und 29 von hauptamtlichen Mitarbeitern. Die Befragten bekamen offene Fragen, die ausgewertet und in - anhand der Antworten entwickelte - Kategorien eingeordnet wurden. Die rund 30-seitige Zusammenfassung wird Bischof Ludwig Schwarz kommende Woche zum Ad-limina-Besuch nach Rom mitnehmen. Die detaillierten Ergebnisse sollen im Internet veröffentlicht werden. 794 Personen aus OÖ nahmen zudem an der Online-Befragung der Diözese Graz teil. Ihre Antworten fließen in deren Auswertung ein.

„Realität des Scheiterns“ nicht ernst genommen

In der Linzer Befragung kristallisierte sich als ein zentraler Kritikpunkt heraus, dass die „Realität des Scheiterns“ nicht ernst genommen werde. Das katholische Familienbild könne zwar als Ideal angestrebt werden, sei aber unrealistisch. Vor allem im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen wurde ein barmherzigerer Umgang mit dem Zerbrechen von Beziehungen eingemahnt. Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften wurden kontroversiell bewertet. Insgesamt wünschen sich die Befragten die Familie als Ort, an dem Menschen „Geborgenheit, gutes Leben und Entwicklung“ ermöglicht wird.

„Verbot der Empfängnisregelung nicht zeitgemäß“

Das Verbot der künstlichen Empfängnisregelung sei nicht mehr zeitgemäß, fanden viele Befragte, werde belächelt und führe letztlich sogar zu einem Autoritätsverlust der Kirche. Familienplanung sei für mündige Menschen eine Selbstverständlichkeit, so der Tenor. Die kirchlichen Normen im Bereich Familie und Sexualität würden sogar der Glaubensentwicklung und -weitergabe im Weg stehen. Ein Befragter bezeichnete die Enzyklika „Humanae vitae“ als „nachhaltige Kirchenkatastrophe“.

Ehevorbereitungskurse als positiv angesehen

Positiv angemerkt wurden die Ehevorbereitungskurse in der Diözese Linz und die Aktivitäten zur Glaubensweitergabe an Kinder - etwa der Religionsunterricht, Kindergottesdienste oder die Erstkommunions-Vorbereitung. Entsprechende Angebote für Erwachsene werden vermisst, aber gewünscht. Ausdrücklich positiv erwähnt wurde von vielen Personen, dass sie sich durch diese Befragung wertgeschätzt und ernst genommen fühlen.

Die Frage des Pflichtzölibats

In einem Kapitel des Fragebogens wollte der Vatikan wissen, was den Menschen über die vorgegebenen Kategorien hinaus wichtig sei. Dabei wurde u.a. die Frage des Pflichtzölibats genannt. Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass man es schätzt, wenn Pastoralassistenten oder Diakone selbst eine Familie haben, erklärte die geschäftsführende Vorsitzende des Pastoralrates, Edeltraud Artner-Papelitzky. Den Befragten gehe es dabei offenbar nicht in erster Linie um die Behebung des Priestermangels - der ebenfalls als Problem genannt wurde -, sondern darum, dass das kirchliche Familienbild nicht von „alten, zölibatär lebenden Männern“ bestimmt werde.

Rolle der Frau sollte aufgewertet werden

Auch die Rolle der Frau soll nach Ansicht vieler aufgewertet werden, bis hin zum Priestertum. Wenn Frauen mehr zu sagen hätten, würde sich die Haltung der Kirche zu etlichen Fragen rascher verändern, so die Meinung vieler Befragter. Ob es sich dabei um weibliche oder männliche Probanden handelte, ist unbekannt, eine Statistik wurde nicht erhoben. Die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche war keine Bedingung.

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