Linzer „Swap 4175“ - Eine Chronologie

Beim Zivilprozess der Stadt Linz gegen die BAWAG P.S.K. und umgekehrt am Handelsgericht Wien geht es um den sogenannten „Swap 4175“. Dahinter steckt eine hochspekulative Finanzwette auf die Kursentwicklung des Schweizer Franken.

Die Stadt Linz, die der Ansicht ist, dass das fürs sie verlustreiche Geschäft nicht zustande gekommen ist, fordert in ihrer Klage vom 2.11.2011 die Rückzahlung von bereits erbrachten Zahlungen in Höhe von 30,6 Mio. Franken, umgerechnet rund 25 Mio. Euro. Da die Linzer die Zahlungen im Oktober 2011 vorzeitig eingestellt hatten, fordert die BAWAG P.S.K. ihrerseits von der Stadt Schadenersatz in Höhe von 417,7 Mio. Euro. Dazu kämen noch Verzugszinsen.

Strafrechtliches Verfahren gegen Mayr und Penn

In dieser Linzer Swap-Affäre ist bei der Staatsanwaltschaft Linz seit April 2011 auch ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Linzer Finanzstadt Johann Mayr (SPÖ) und vormaligen Linzer Finanzdirektor Werner Penn wegen des Verdachts der Untreue zum Nachteil der Stadt Linz anhängig. Mayr erklärte deswegen im Sommer seinen Rücktritt. Der Strafakt mit zahlreichen Telefonprotokollen, Einvernahmen, und einem Gutachten des gerichtlich beeideten Sachverständigen Christian Imo liegt auch im Zivilrechtsverfahren vor.

Seit August 2012 ermittelt die Staatsanwaltschaft auch gegen unbekannte Täter „im Umkreis der BAWAG P.S.K.“ wegen Untreue- und Betrugsverdachts. Ein Vorhabensbericht wurde dem Justizministerium zur Entscheidung vorgelegt.

Stadt wollte Fremdwährungsportfolio „optimieren“

Zum Hintergrund: Bereits seit den 1990er-Jahren finanziert sich die Stadt Linz mit Euro- und Franken-Darlehen. 2004 will sie Maßnahmen zur Kurssicherung ergreifen, woraufhin der Gemeinderat am 3.6.2004 beschließt, „das Fremdwährungsportfolio durch den Abschluss von marktüblichen Finanzgeschäften und Finanzterminkontrakten zu optimieren“.

2006 konsultiert Finanzdirektor Penn die BAWAG P.S.K., die langjährige Hausbank der Stadt Linz, und ersucht um Vorschläge zur Zinssicherung. Parallel dazu unterfertigt der Linzer Bürgermeister Franz Dobusch (SPÖ) neben einer Vollmacht einen „Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte“, der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für künftig abzuschließende Finanzgeschäfte festlegt. Am 12.2.2007 schließt Penn mit der BAWAG das Swap-Geschäft 4175 ab.

Variabel verzinste 195-Mio.-Franken-Anleihe

Der Swap 4175 bezieht sich auf eine variabel verzinste 195-Mio.-Franken-Anleihe (nach aktuellem Kurs sind das rund 157 Mio. Euro), die die Stadt im Oktober 2005 auf den Markt brachte. Äußerlich ähnelt der Swap einem gewöhnlichen Zinstausch von variablen gegen fixe Zinszahlungen. Die Stadt Linz muss jedoch bei Überschreiten eines Euro/Franken-Wechselkurses von 1,54 zusätzlich Zinsen nach der Formel (1,54 - Kurs)/Kurs*100 Prozent zahlen.

21 Devisenoptionen

Hinter dem Swap verbergen sich 21 Devisenoptionen mit Laufzeiten von bis zu zehn Jahren. Die BAWAG P.S.K. habe den Swap so strukturiert, dass der Wert der Optionskomponente bei weitem die Gegenleistung überschreite, kritisierte der Linzer Univ.-Prof. Meinhard Lukas. Lukas hat seine Funktion als Rechtsberater der Stadt inzwischen angesichts der zuletzt immer heftiger gewordenen parteipolitischen Debatte niedergelegt - mehr dazu in Swap: Berater wirft das Handtuch (ooe.ORF.at; 28.6.13).

Alleine auf die Kursentwicklung konzentriert

Mangels Aufklärung über die wahre Struktur und das wahre Risiko des Swaps habe sich Penn nach Abschluss alleine auf die Kursentwicklung konzentriert und sei darin von der BAWAG unterstützt worden, so Lukas. Obwohl die Stadt aus dem Swap weiterhin Zahlungen erhalten habe, habe sich dessen Wert massiv verschlechtert. Darüber sei Penn von der Bank nur zeitverzögert informiert worden und habe darauf nicht reagiert. Darin erblicke die BAWAG zu Recht eine schwere Fehleinschätzung, habe sich aber dennoch nicht an die politischen Organe der Stadt gewendet, sagte Lukas. Diese hätten erst vor Ostern 2010 Kenntnis von der wahren Struktur des Swap erlangt. Die BAWAG verlangte damals für den Ausstieg 100 Mio. Franken. Die Stadt Linz war nicht bereit, derartige „Ausstiegskosten“ zu tragen, weil sie das Geschäft für unwirksam hielt.

„Vertretungsmissbrauch durch Organe der Stadt“

Die Stadt moniert, dass nach dem Stadtstatut der Abschluss solcher Geschäfte wie des Swap 4175 dem Gemeinderat vorbehalten sei und möglicherweise angesichts seiner Dimension auch durch die Gemeindeaufsichtsbehörde, die oberösterreichische Landesregierung, zu genehmigen gewesen wäre. Linz macht als Nichtigkeitsgrund auch einen Vertretungsmissbrauch durch Organe der Stadt geltend sowie Sittenwidrigkeit und Täuschung. Auch hätte der Abschluss nicht den Wohlverhaltenspflichten der Bank entsprochen.

„Verletzung vorvertraglicher Pflichten“

Die BAWAG ihrerseits behauptet angesichts der von der Stadt Linz erhobenen Nichtigkeitseinwendungen eine Verletzung vorvertraglicher Pflichten (culpa in contrahendo) durch die Stadt. Diese habe es verabsäumt, auf das Fehlen des erforderlichen Gemeinderatsbeschlusses hinzuweisen. Die BAWAG verweist auch immer wieder auf der Stadt unterbreitete Ausstiegsangebote, mit denen es die Stadt selbst in der Hand gehabt hätte, den Schaden aus dem Geschäft gering zu halten. Laut Lukas hat es sich dabei nur um Restrukturierungsangebote gehandelt.

Linz wollte nur „optimieren“ und nicht „spekulieren“

Die Stadt Linz sieht ihre Rechtsposition, nämlich dass kein gültiger Vertrag zustande gekommen sei, auch dadurch untermauert, dass der Steuerzahler durch Gesetze geschützt wird. Demnach sind Verträge von Gebietskörperschaften nach § 867 ABGB nur wirksam, wenn die erforderlichen Beschlüsse der zuständigen Organe vorliegen. Weiters wird argumentiert, dass Linz nur „optimieren“ und nicht „spekulieren“ wollte, was durch den Swap laut einem von der Staatsanwaltschaft Linz beauftragten Gutachten von Christian Imo aber nicht passiert sei. Zudem hätte der Swap vom Land genehmigt werden müssen.

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