„Der ideale Mann“ in den Linzer Kammerspielen
Oscar Wilde schrieb sein Stück „Der ideale Mann“ Ende des 19. Jahrhunderts als sogenannte Salon-Komödie. Die sprachgewaltige Elfriede Jelinek hat sich dem Stoff angenommen und überträgt den Inhalt in die Gegenwart, auch mit durchaus aktuellen Seitenhieben und Bezügen auf Politik und Finanzwelt.
Der Suezkanal wird zum Hyper-Alpenkanal
Hauptfigur ist Sir Robert Chiltern, der in seiner Vergangenheit mit zwielichtigen Machenschaften, finanzielle und politische Karriere gemacht hat. Kurz vor seinem nächsten Karrieresprung taucht eine Bekannte auf, die ihn mit seiner Vergangenheit erpresst. Für ihr Schweigen fordert sie seine Zustimmung im Parlament zu einem dubiosen Bauprojekt, in das sie selbst viel Geld investiert hat. Im Original-Stück von Oscar Wilde ist dieses Projekt der Panamakanal, in der Fassung von Jelinek heißt das Projekt „Hyper-Alpenkanal“, in Anspielung auf die Geschäfte der Hypo-Alpe Adria.
Landestheater Linz/Christian Brachwitz
Elfriede Jelinek und Oscar Wilde
Regisseurin Bernarda Horres zum Verhältnis der Feministin Elfriede Jelinek zum „Dandy“ Oscar-Wilde: „Ich glaube, dass die Jelinek mit der Person von Oscar Wilde ungeheuer viel anfangen konnte. Denn Oscar Wilde war ja schon selbst eine Installation. Und übrigens auch die Dandys, also Männer, die sehr feminine Seiten haben, die in bestimmten Farben und Ambiente leben. Natürlich kann sie damit viel anfangen.“
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Bernarda Horres
„Haben alle Leichen im Keller“
Im Stück gehe es aber nicht nur um die Affäre, die um Sir Robert Chiltern und dessen Erpressung herumgebaut wird, sondern auch um jene Momente, die Oscar Wilde so genau beschrieben habe, so die Regisseurin: „Homoerotische Neigungen, die Fragen nach: was bin ich, was ist meine Identität, wie möchte ich leben? Es geht eigentlich grundsätzlich darum, dass wir alle ‚Leichen im Keller‘, Geheimnisse und andere Seiten haben, und wie wir mit diesen Seiten leben und leben wollen.“
Landestheater Linz/Christian Brachwitz
Das Stück über diese Gesellschaft, die sich ständig selbst feiert und deren Figuren versuchen, immer den Schein zu wahren, feiert am Samstagabend Premiere im den Linzer Kammerspielen.